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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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schwingend und größer werdend. Ich suchte seinen Blick.
    »Du machst das sehr gut«, sagte ich.
    Ich hielt einen Finger in einen Ring hinein. Der Ring löste sich auf.
    Amadeo stützte die Ellbogen auf den Tisch, lächelte langsam und aufreizend. Er und ich genossen diese Anspielungen; ob Manuel sie verstand, wußte ich nicht.
    »Ich habe Freude an Märchen«, fuhr er fort, »weil meine Art zu leben jener von Rindern gleicht. Kinder leben noch dicht an der Quelle des Instinkts, so daß ich mich ihnen nahe fühle. Märchen regen die Phantasie an.«
    Manuel drehte sein Glas zwischen den Fingern.
    »Mit Modellen und Utopien kann man spielen.«
    Amadeo nickte.
    »Sie sind außerordentlich vielfältig und stimmen fast alle nicht; das ist das Gute dabei. Das gibt den Luftschlössern Spielraum. Die Romanos sollen aus Indien kommen – von dort, woher meine Musiker stammen. Ihre Sprache, sagt man, wurde vom Sanskrit abgeleitet. Es heißt auch, die Romanos hätten in Ägypten am Bau der Pyramiden mitgewirkt. Mir gefallen solche Spekulationen, auch wenn sie zu nichts führen. Die Welt ist ein Chapiteau: Alle zeigen ihre Show, und irgendwann wird das Zelt abgebrochen. Dazu fällt mir ein Gedicht ein. Es stammt von einem Brasilianer, Pereira Lima, und entspricht meinem Hang zum Zynismus:
    ›Nach Jahrtausenden fand man in einer
    ägyptischen Grabkammer
    menschliche Fußspuren auf dem Boden.
    Jemand, den wir nicht kennen und der auch
    niemals etwas von uns wissen wird.
    Weltepoche – eine Zeile in einem Buch.
    Ein unbekannter Studierender der Zukunft,
    vielleicht in der Bibliothek eines anderen Planeten, wird diese Zeilen lesen,
    ohne zu wissen, wer wir waren.‹«
    Eine kurze Stille folgte. Amadeo griff nach der Flasche und wollte mein Glas füllen. Ich legte rasch die Hand darauf.
    »Nein, nicht zuviel Wein, Amadeo! Mir dreht sich jetzt schon der Kopf.«
    »Klare Sache, du brauchst mehr!«
    Wir lachten beide, er auf eine so nachhaltige Art, daß ich mein Herz in der Brust klopfen hörte. Ich starrte ihn an, völlig versunken in der Wahrnehmung seiner Gegenwart. Wieder spürte ich in mir diese leichte heiße Flamme, aufflackernd und pulsierend, diesmal so stark, daß ich kurz den Atem anhielt. Mir wurde vor Verlangen fast übel. Amadeo brauchte mich nur anzusehen, und wußte alles. Er war genauso erschüttert wie ich.
    Feinfühlig, wie er war, würde Manuel unsere Gefühlsregung nicht entgehen. Doch er schaute nur auf seine schmale braune Hand und schwieg.
    Ein paar Gardians standen auf und verabschiedeten sich; Jean, wortkarg und beleidigt, ging mit ihnen, während sich Constantin mit lautem Dröhnen die Nase schneuzte. Amadeo füllte Manuels Glas.
    »Wir wollen ja den Rummelplatz der Utopien nicht vorzeitig verlassen, oder?«
    »Nein. Wir müssen nur gewisse Dinge erkennen.«
    »Meinst du die Dinge, die anscheinend nichts daran hindern kann, ewig zu dauern?«
    Manuel schmunzelte.
    »Auf alle Fälle mehr als zwei Jahrtausende. Genau die meine ich.«
    Ich sah ein Lächeln in Amadeos dunklen Augen aufsteigen und dort verharren.
    »Weißt du, warum mir die Farbe Schwarz gefällt? Sie ist für mich die Farbe des Ursprungs. Das ganz helle Licht – wenn es völlig weiß leuchtet –
    hat einen schwarzen Kern. Das ist etwas, das viele nicht wissen. Schwarz ist nur im Christentum ein Zeichen von Trauer. In Wirklichkeit ist Schwarz die Farbe der Fruchtbarkeit, der mütterlichen Erde, der regenschweren Wolken. Die schwarze Sara? Dienerin der Christinnen? Dummes Zeug! Ihr Name kommt aus dem Hebräischen und bedeutet ›Prinzessin‹. Sie stellt den alten Glauben dar, das dunkel Chaotische, das niemals besiegt werden kann. Nein, die schwarze Sara ist keine Heilige; sie ist die Göttin. Sie ist Isis, Demeter und Kybele, die Wurzel der Erde. Das Tor, durch das alle Wunder hervortreten. Wer ihren Mund küßt, ehrt die Erdmutter, die uns das Leben schenkt, die wir zerstören und verwüsten, bis sie eines Tages die Schnauze voll hat und sich mit Katastrophen rächt. Um so besser! Wir Idioten verdienen ja nichts anderes.«
    Manuel nickte vor sich hin.
    »Wir in Mexiko sagen: Die Menschen haben das Leben der Tiere und Pflanzen vernichtet, und eines Tages wird auch der Mensch nicht mehr da sein. Nur die Erde wird immer bestehen.«
    Lola stellte einen Brotkorb auf den Tisch und setzte sich, etwas atemlos.
    »Du bist kein Mann, der in einem Büro arbeitet.«
    Manuel schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Nein. Ich bin Töpfer.«
    »Ach«, sagte Lola

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