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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Rätseln unseres Lebens, sie existiert nicht anders als durch uns. Aber was, wenn ein sichtbares Wesen aus ihr wird? Wenn sie vor uns steht, ein fleischgewordener Traum, der uns auf der Stelle lahmt und keine Flucht erlaubt?
    Nach der Vorstellung wollte ich zu ihm gehen. Eleni hatte Angst, aus Gründen, die mir nicht klar waren. Sie flüsterte hinter vorgehaltener Hand.
    »Du, ich glaube, das ist ein Zigeuner. Ich an deiner Stelle würde aufpassen.«
    »Ich will ihm etwas sagen.«
    »Was denn?«
    Ich gab keine Antwort. Eleni nagte an ihrer Unterlippe, rührte sich nicht vom Fleck. Sie ging mir auf die Nerven: Noch stand er in der Manege, aber bald würde er gehen. Und was würde aus mir werden, wenn ich nicht mit ihm reden konnte?
    » Il n’a pas l’air très convenable – er sieht nicht sehr anständig aus«, flüsterte Eleni.
    Er wandte den Kopf zum Artisteneingang und rief etwas. Gleich war er weg. In meiner Brust tanzten glühende Funken. Ich stieg rasch über die Bänke.
    »Bleib da, wenn du nicht mitkommen willst.«
    Eleni sprang auf.
    »Warte!«
    Sie störte sich nicht daran, daß ich die Anführerin war; sie war auch keine Drückebergerin, sondern fügte sich aus Zuverlässigkeit, wie Mädchen es tun.
    Hinter dem Artisteneingang herrschte das übliche Gedränge nach einer Vorstellung. Das Publikum hatte das Zelt verlassen, nur noch ein Scheinwerfer brannte. Eine Frau stapfte durch die schmutzigen Sägespäne mit zwei weißen Pudeln unter den Armen; wir hatten zuvor gesehen, wie sie auf einem Apfelschimmel ritt. Die engen Hosen standen ihr gut. Sie hatte hübsch geformte Beine, aber ein altes Gesicht. Neben dem roten Vorhang schraubte der dicke, weißgepuderte Clown ein Mundstück in irgendein Blasinstrument. Zwei Nordafrikaner im Overall wanderten mit Eimer und Besen durch die Sitzreihen. Amadeo stand mit zurückgeworfenem Kopf am Fuß des Trapezaufbaus und prüfte die Luftleiter, indem er sie hin und her schleuderte. Er warf uns einen verdrossenen Blick zu, zog ein letztes Mal kräftig an der Leiter und ließ sie dann los, bevor er sich uns zuwandte. Sein Ausdruck war unfreundlich; wir waren ihm im Weg.
    Ich sah ihn im Dämmerlicht: ein Mann mit kastanienbrauner Haut, großgewachsen und sehnig. Er hatte lange Arme und Beine; dazu pechschwarzes Haar, das glatt war und bis auf die kräftigen Schultern herabfiel. Die niedrigen Brauen trafen sich fast auf der Nasenwurzel, der Mund war breit und gut gezeichnet. Es wäre unmöglich gewesen, eine einzige weiche Linie auf seinen kantigen Zügen zu entdecken. Die Farbe der tiefliegenden Augen war ebenso dunkel wie der Mann selbst.
    Er trug eine speckige Lederjacke mit Fransen, kniehohe Stiefel und schwarze Jeans, die eng seine langen Beine umschlossen. Unter der Jacke war sein Oberkörper nackt, und die Haut war ebenso glatt und gebräunt wie in seinem Gesicht.
    Eigentlich nahm ich das alles nur aus den Augenwinkeln wahr; meine Aufmerksamkeit war von der Ratte in Anspruch genommen, die auf seiner muskulösen Schulter kauerte. Und zwar genau auf einer großflächigen blauen Tätowierung, die eine Lilie darstellte. Nach ein paar Sekunden verblüffter Stille hatte ich auf das Tier gedeutet.
    »Beißt sie?«
    »Mich nicht«, kam die unwirsche Antwort. Und jetzt erlebte ich die zweite Überraschung bei diesem Mann. Seinem Aussehen nach war ich auf jede andere Stimme gefaßt als auf die, die ich jetzt hörte: Sie war leise und klar und im Gegensatz zu seinen schroffen Worten erstaunlich sanft. Dabei wandte er sich um und wollte gehen, und unsere Begegnung hätte ein ergebnisloses Ende genommen, wenn ich ihm nicht nachgelaufen wäre.
    »Warten Sie!«
    Er blieb so plötzlich stehen, daß ich gegen seinen Rücken prallte, drehte sich um und sah mich finster an. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen.
    »Das, was Sie mit dem Feuer machen… das kann ich auch!« Er zog auf eigentümliche Weise die Nase kraus; ich dachte, jetzt wird er böse, doch das Gegenteil geschah: Ein Funke blitzte in seinen Augen auf. Mein erschrockenes Anstarren erwiderte er mit einem langen, spöttischen Blick.
    Und jetzt konnte ich die dritte seltsame Eigenart an Amadeo bemerken –
    sein Lächeln. Es mußte selten kommen, dieses Lächeln, hell und warm wie ein Sonnenstrahl, der durch dunkle Gewitterwolken herabzuckt. Ich sah das flüchtige Aufblitzen der Zähne hinter dem harten Mund, bevor sich das Gesicht wieder in eine finstere Maske verwandelte. »Und du hast dir dabei nie die Finger verbrannt?«

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