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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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würgend.
    »Es tut mir leid…«
    »Sei nicht traurig, Pitchounette, er ist glücklich. Wir haben ihm ein prachtvolles Begräbnis veranstaltet und danach die ganze Nacht gefeiert, wie er es haben wollte. Das Leben geht weiter, nicht wahr? Und Amadeo wartet auf dich.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Nein. Er schnauzt alle Leute an. Dazu kommt, daß Quasimodo Koliken hatte. Jetzt frißt er wieder, zum Glück. Sonst hätte Amadeo uns alle verprügelt. Ich werde ihm sagen, daß du angerufen hast, das macht ihn sanft wie ein Lamm.«
    »Eleni und Jorge kommen auch«, sagte ich.
    »Gut. Ich lege dir Karten zurück. Einen Kuß, Pitchounette!«
    »Erkälte dich nicht, Lola.«
    »Keine Sorge! Ich habe einen Fuß wärmer!«
    Ich legte lächelnd den Hörer auf und merkte überrascht, wie mühelos und nahezu ohne Übergang ich in das komplizierte Leben der Zirkuswelt hineingetaucht war. Und jetzt mußte ich Martin sagen, daß ich mit einem anderen Mann verabredet war. Ein Mann, wie ihn Martin sich nicht vorstellen konnte. Martin mit seiner guten Erziehung der amerikanischen Mittelklasse, seiner aufdringlichen Liebenswürdigkeit und dem eigentümlichen, mißtrauischen Blick. Wenn ich mit ihm sprach, mußte ich nach Worten suchen und ihren Doppelsinn fürchten. Ich hatte entdeckt, daß er immer nur das verstand, was er wollte. Sobald ihm etwas nicht gefiel, spielte er den Dummen.
    »Martin, hör zu, ich möchte ein paar Tage allein sein.«
    Er sah mich an, die langen Beine von sich gestreckt, die Hände hinter dem Kopf gefaltet. Es war abends, in der Küche. Martin hatte Rinderfilet mit Ananas zubereitet. Wir tranken einen Rotwein dazu, der mir zu süß war. Zum Abschluß löffelten wir eine Karibikcreme und tranken Kaffee.
    Martin rauchte jetzt, gemächlich und entspannt; der Augenblick schien mir gut gewählt.
    »Was hast du vor? Wieder nach Milano zu fahren?«
    Ich hielt es für das beste, mit offenen Karten zu spielen.
    »Ein Freund von mir ist da; ich will ihn sehen.«
    Martin kniff die Augen zusammen.
    »Einer deiner früheren Liebhaber?«
    »Wenn du mich schon so fragst, ja. Er war der erste Mann, mit dem ich zu tun hatte.«
    »So.« Martin hielt die Zigarette über den Aschenbecher. »Wann war das denn?«
    »Vor vierzehn Jahren.«
    Er hob ruckartig den Kopf.
    »Herrgott! Ich dachte, du wärst in einem Pensionat erzogen worden.«
    »Ich bin durchgebrannt.«
    »Mit diesem Mann?«
    Ich nickte.
    »Und deine Mutter?«
    »Ich rief sie an und sagte, daß sie sich nicht aufregen sollte. Ich hatte mein Examen verpaßt. Im Internat wollte man mich nicht mehr, ich mußte die Schule wechseln. Ich sagte Carmilla, ich sei rechtzeitig wieder da, um die Prüfung zu wiederholen.«
    Er grinste unfroh.
    »Offenbar warst du schon damals ein kluges Köpfchen.«
    »Ich hatte niemals vorgehabt, mir den Weg zu verbauen.«
    Die neue Schule fing im September an. Am letzten Abend im Juli war ich wieder in Paris. Das Bild ist mir geblieben: Ich stehe vor der Tür, ich klingele; Carmilla öffnet. Da bin ich, braungebrannt, ein ganzes Stück größer. Meine Jeans sind eingelaufen, mein T-Shirt ausgebleicht und unter den Armen zerrissen. Fast zwei Monate sind vergangen. Ich habe keine Pickel, und mein Haar duftet frisch. Nicht einmal schmutzige Unterwäsche habe ich an. Lola hat sie für mich gewaschen und gebügelt.
    Carmilla bricht in Tränen aus. Schluchzt hemmungslos, mit offenem Mund. Ich sage ihr, daß es mir gut geht, daß ich nicht schwanger bin und jetzt mein Examen machen werde. Dann sage ich, daß ich Durst habe. Und ob ich wohl ein Glas Wasser haben könnte. Ich bin vollkommen gleichmütig. Amadeos und meine Geschichte verdient nicht, daß wir uns darüber aufregen. Sie ist wie ein langes Musikstück, mit Pausen.
    Gelassenheit ist die richtige Haltung. Das Grundverschiedene verbinden.
    Einer anderen Welt angehören, einer schwebenden Welt des Schweigens, der Erinnerung, der Nacht. Nur die Außenseite herauskehren. Mund halten, studieren. Er macht seinen Kram, ich meinen. Und wenn es geht, sind wir zusammen. Das ist ein faires Geschäft. So gelingt es uns, weiterzuleben.
    Traumwandlerisch, nicht ansprechbar, aber kein Mensch wird es merken.
    Wir sind stark genug, um uns diese Einstellung zu leisten. In seiner, in meiner Welt ist das Unmögliche möglich. Wir sind beide verdammt gescheit, Amadeo.
    Mit Martin darüber reden? Undenkbar! Wenn ich sprach, so verfolgte er meine Sätze genau; die Zwischentöne überhörte er. Ich stellte einen Mangel an

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