Feuergipfel
erschöpft, daß sie sich gegen den Fensterladen lehnen mußte, nur um sich aufrecht zu halten. Ihre Armmuskeln waren völlig verspannt und zitterten von der Anstrengung, den schweren Karabiner jederzeit waagerecht und schußbereit zu halten.
Feuerzungen leckten in ihre Windrichtung. Das Haus selbst war an einigen Stellen versengt, aber insgesamt unbeschädigt. Das Grasland und große Teile der Kiefernwäldchen oberhalb der Ranch dagegen hatte es böse erwischt. Sie waren bis zur Schwärze der Nacht verkohlt. Der böige Wind wirbelte Aschewolken auf und ließ Rauchsäulen in den Himmel steigen.
Am Ende sollte es der Wind sein, der die Ladder S vor den Banditen rettete. In der Früh hatte er sich plötzlich gedreht und das Feuer der Fackeln zurück in Richtung der Absender getrieben.
Benommen fragte Elyssa sich, wen der Wind wohl am kommenden Abend begünstigen würde.
»Elyssa.«
Sie drehte den Kopf zu der Stimme um. Als sie es tat, begriff sie, daß ihr Name nicht das erste Mal gerufen wurde. Es war lediglich das erste Mal, daß sie ihn wahrnahm.
Hunter schnappte scharf nach Luft, als sich Elyssa zu ihm umwandte. Ihre Augen hatten den starren, blicklosen Ausdruck völliger Erschöpfung, den er zur Genüge kannte, wenn nämlich Männer zu hart und zu lange angetrieben worden waren. Er fragte sich, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte. Oder geschlafen.
Zu spät erkannte Hunter, daß er zwar die Männer im Auge behalten hatte, die unter seinem Kommando standen, aber Elyssa war ihm in der Aufregung völlig entgangen. Weil sie keine Wache halten mußte, hatte er an natürliche Ermüdungserscheinungen gar nicht gedacht.
Und so fand Elyssa schließlich - wie Hunter - noch weniger Gelegenheit zum Schlafen und Essen als die Männer um sie herum.
Behutsam nahm er ihr den Karabiner aus den Händen.
»Es ist vorbei. Vorläufig«, sagte er sanft. »Geh und hol dir etwas zu essen.«
»Die Männer ... Keller.«
»Gimp kümmerte sich um sie.«
»Penny?« flüsterte Elyssa.
»Sie schläft. Du solltest dich jetzt auch unbedingt hinlegen.«
Elyssa schaute zu Hunter auf, aber seine Züge verschwammen vor ihrem Blick. Sie schloß die Augen, lehnte die Stirn an den Fensterladen und fragte sich, wie sie wohl die Kraft aufbrächte, die Treppe hinunterzusteigen.
Auf die gleiche Art wie die Männer, sagte sie sich müde. Immer einen Schritt nach dem anderen.
Sie stieß sich von dem Fensterladen ab und schleppte sich vorwärts. Aber sie strebte in Richtung Keller, nicht zu ihrem Schlafzimmer.
Hunter streckte den Arm aus, um Elyssa aufzuhalten. In der letzten Sekunde zog er seine Hand wieder zurück. Die verwundeten Männer brauchten Pflege nach der langen, anstrengenden Nacht. Jemand mußte es tun. Und Elyssa hatte das Geschick.
Mit einem stummen Fluch eilte Hunter seiner Wege.
Case blickte auf, als sein Bruder leise das Kinderzimmer betrat. Keiner der beiden nahm noch irgendeine Notiz von dem krassen Gegensatz verschossener Patronenhülsen, die sich in einer Babywiege häuften, und den bunten Schmetterlingen, die an den Wänden tanzten.
»Laß mich heute abend hinausgehen«, sagte Case ohne lange Vorreden. »Ich kann dir garantieren, daß vor Einbruch der Morgendämmerung weniger Banditen draußen herumschleichen werden.«
»Noch nicht.«
»Wann!«
Es war keine Frage. Es war eine barsche Forderung.
»Erst wenn uns keine andere Möglichkeit mehr bleibt, und nicht einen Augenblick früher«, erwiderte Hunter ebenso schroff.
»Wo siehst du denn noch eine Möglichkeit, wenn ich mal fragen darf? Das Haus ist letzte Nacht verdammt knapp davor gewesen, bis auf die Grundmauern niederzubrennen.«
In Cases Stimme schwang kein Zorn mit, keine Hoffnung auf ein Wunder, keine echte Neugier, was sein eigenes Schicksal betraf. Er wollte ganz einfach nur wissen, ob er vielleicht etwas übersehen hatte, was Hunter nicht entgangen war.
»Die Armee könnte auf uns aufmerksam werden nach drei Tagen ununterbrochenen Gewehrfeuers und Rauchsäulen, die von Ladder-S-Land zu ihnen treiben«, sagte Hunter angespannt. »Selbst ein Betrunkener muß bemerkt haben, daß hier etwas nicht stimmt.«
Case schnaubte nur verächtlich.
»Die Armee ist auf der anderen Seite der Rubies, um Indianer zu jagen und Landkarten anzufertigen«, tat er diese Möglichkeit ab. »Und die Handvoll Männer, die in Camp Halleck zurückgeblieben sind, scheren sich einen Dreck um die Ladder S.«
Hunter widersprach nicht.
Aber er konnte sich auch nicht dazu
Weitere Kostenlose Bücher