Feuergipfel
fragte Hunter.
»Er hat etwas von einem Englischen Vollblut in sich, nicht wahr? Und von einem Irischen Jagdpferd?«
Hunter nickte.
»Kräftige, gutgebaute Gliedmaßen, breite Brust, kraftvoll und doch elegant in seinen Bewegungen«, stellte Elyssa fest und ließ ihren Blick musternd über Hunters Pferd wandern.
Und über Hunter.
»Ruhige Augen und genug Platz dazwischen für ein Hirn, wenn er es jemals benutzt«, fuhr sie fort. »Und auch sanftmütig unter all den Muskeln und störrischem ...«
Ihre neckenden Worte endeten in einem überraschten Aufschrei. Ein riesiges Longhornrind stürmte wie eine gefleckte Geröllawine aus einer ungefähr dreißig Meter entfernten Schlucht heran.
Mit kampfbereit gesenkten Hörnern - während Erdklumpen und Grasbüschel bei jedem Schritt unter seinen Hufen aufstoben
- raste der Bulle auf Leopard zu.
»Schnell! Laufen Sie weg!« schrie Hunter.
Elyssa zog Leopard hart nach links herum und grub ihre Fersen in seinen Rumpf, während sie gleichzeitig nach der Schrotflinte griff, die in ihrer Sattelscheide steckte. Inzwischen war der Bulle bereits so nahe, daß sie das Weiße seiner wild rollenden Augen sehen und sein Schnauben hören konnte.
Zu nahe, dachte sie in panischer Angst. Keine Zeit, die Flinte anzulegen. Himmel, ist der Bulle schnell!
Hastig schwenkte Elyssa Leopard auf der Hinterhand herum und riß die Schrotflinte aus dem Futteral. Selbst als sie auf den Bullen zu zielen versuchte, wußte sie, es würde zu spät sein.
Der Bulle war schon zu ihr herumgewirbelt, um sie aufzuspießen. Gewaltige Hörner schimmerten böse im Sonnenlicht.
In dem Moment ertönten drei Gewehrschüsse, so dicht nacheinander, daß sie wie ein kurzes Donnergrollen klangen.
Der gescheckte Longhornbulle kam mit einem Ruck zum Stehen, machte taumelnd einen weiteren Schritt, prallte gegen Leopard und stürzte zu Boden. Das große Pferd stolperte unter der Wucht des Aufpralls, bevor es sich wieder fangen konnte und in Panik davongaloppierte.
Elyssa gelang es nur mit knapper Not, sich auf dem Pferderrücken zu halten.
Mit schußbereit angelegtem Gewehr drückte Hunter Bugle Boy die Schenkel in die Seiten, um ihn zu dem reglos daliegenden Bullen zu treiben. Bugle Boy, der auf die Überraschungsangriffe und den Lärm und das Blut von Schlachten dressiert war, gehorchte trotz des nervösen Zuckens seiner Ohren und seines ängstlichen, steifbeinigen Ganges.
Das Longhornrind war tot. Zwei der drei Kugeln hatten glatt sein Herz durchbohrt.
Hunter blickte auf und sah Leopard keine zehn Meter entfernt mit tänzelnden Schritten und rollenden Augen näher kommen.
Elyssa war bleich, aber der Lauf der Schrotflinte, die sie hielt, zielte immer noch auf den gestürzten Angreifer.
Hunters Blick tastete ihren Körper ab wie schnelle Hände, während er nach Verletzungen suchte. Er sah keine. Sein Atem kam in einem inbrünstigen Seufzer der Erleichterung über seine Lippen.
Ich hätte nicht einen Penny für ihre Chancen gegeben, als der verdammte Bulle auf sie zuraste.
Niemals zuvor hatte Hunter so schnell sein Gewehr angelegt und gefeuert. Er wünschte nur, er würde niemals wieder in eine solche Situation geraten.
Ein zweites Mal würde er vielleicht nicht so viel Glück haben.
»Ich hatte Ihnen gesagt, Sie sollten weglaufen«, sagte er streng.
»Bin ich ja ...«
»Nicht weit genug. Wenn ich danebengeschossen hätte ...«
»Sie haben Ihr Ziel aber nicht verfehlt«, unterbrach ihn Elyssa. »Danke.«
Hunter stieß erneut einen rauhen Seufzer aus und blickte zurück auf den gewaltigen Kadaver.
»Ich hatte Glück«, gab er widerstrebend zu.
»Sie sind ein ausgezeichneter Schütze. Wenn Sie nicht so schnell gewesen wären, hätte der Bulle Leopard aufgespießt.«
»Oder Sie.«
»Ja«, flüsterte sie. »Oder mich.«
Elyssa schloß einen Moment die Augen, dann riß sie sie hastig wieder auf. Wenn sie die Augen schloß, sah sie wieder das rasende Tier auf sich zustampfen, empfand wieder die drohende Gewißheit einer schweren Verletzung oder sogar des Todes.
»Danke«, wiederholte sie mit zitternden Lippen.
Schulterzuckend wehrte Hunter ihren Dank ab. Er war wütend auf sich selbst, weil er plötzlich einen so starken Beschützerinstinkt gegenüber Elyssa entwickelt hatte, und wütend auf sie, weil sie ihm mit jedem Atemzug, den sie tat, bewußt machte, wie begehrenswert sie war.
Je länger Hunter sie ansah, desto schwerer fiel es ihm, die Finger von ihr zu lassen.
Was ist eigentlich aus
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