Feuerherz
die Muskeln, die sich jetzt auf seinem Oberarm anspannten. Mein ganzer Körper wirkte wie elektrisiert.
»Schon gut«, gluckste er. »Das habe ich verdient.«
»Sorry, sorry, sorry, ich bin unter Kerlen aufgewachsen … daher die Fäkalsprache und die schnelle Rechte!«
Nino kam angelaufen und fragte etwas in der fremden Sprache. Ilian antwortete und der Kleine verschwand, nachdem sich sein großer Bruder wieder aufgerappelt hatte.
»Ich sollte jetzt gehen«, trat ich die Flucht an.
»Warte!«, bat Ilian …
… und nahm meine Hand.
***
»Elisabeth?« Schwummrig drang eine wundervolle Stimme an mein Ohr. »Elisa … Lissy?«
Ich öffnete die Augen und erblickte: Chaos. Poster von alten Rockbands, umherfliegende Klamotten … Bücher, gestapelt, aufgeschlagen, geschlossen … ein Aquarium … Schuhe und Socken … Ich erhob mich mit wummerndem Schädel.
»Scheiße, ich dachte, ich müsste den Notarzt rufen!«
»Ist sie kaputt?«, wollte ein zartes Stimmchen wissen.
»Nein, Pippa, ihr war nur zu warm.«
Ich war in Ilians Zimmer … auf seinem Bett. Ich sah mich um. Auf seinem Nachttisch stand eine geöffnete Dose Cola, ein verstaubtes Radio und das Buch, das er neulich gelesen hatte. Über dem Fernseher hing ein achtlos hingeschmissenes Hemd und der Schreibtisch samt Laptop war überfüllt mit Schulbüchern und Heften.
»Oh Mann«, sagte Ilian peinlich berührt, »jetzt weiß ich, warum meine Mutter immer predigt, ich soll aufräumen und mein Bett machen.«
Ich sah herunter auf die zerwühlten Laken, auf denen ich gelegen hatte.
»Ich schwöre dir, das hat meine Mutter heute Morgen nach der Fiebernacht frisch bezogen!« Er hob eine Hand und legte die andere ans Herz. Eine Frau mit braun gelocktem Haar kam mit einem Glas Wasser hereingestürmt, dicht gefolgt von Nino. Als sie näher kam und ich ihre Augen sehen konnte, war mir klar, wer das war. Ilians Mutter.
»Zum Glück, sie ist aufgewacht!«, sagte sie und nahm mit angewidertem Gesicht die alte Coladose vom Nachttisch, um das Wasserglas abzustellen. Offensichtlich klebte das Ding und war noch halb voll. Sie stellte es auf dem Schreibtisch ab und versuchte danach, ihre Hände an der Hose abzuwischen.
»Wie geht es dir?«
»Alles gut«, sagte ich. »Mein Kreislauf spinnt an bestimmten Tagen schon mal und besonders bei dem heißen Wetter.« Damit log ich nicht mal.
Ilians Mutter nickte verständnisvoll. »Bitte entschuldige das Chaos, aber mein Sohn ist unter anderem in dieser Sache sehr … nennen wir es: erziehungsresistent!«
»Nicht schlimm«, sagte ich und winkte die Sache ab. »Ich besitze zwei Frettchen, die verursachen auch ständig Chaos.« Welches bei weitem nicht so schlimm war wie dieses hier.
»Ein Kleingeist hält Ordnung, ein Genie überblickt das Chaos!«, rechtfertigte Ilian sich. Seine Mutter sagte etwas in der fremden Sprache und verschwand dann mit Nino und Pippa aus dem Zimmer. Ein paar Räume weiter hörte ich ein Baby schreien.
»Der Kleinste«, erklärte Ilian, »Roran.« Seine braunen Augen durchforsteten mich. Sicherlich war er es gewöhnt, blöde Kommentare wegen seiner vielen Geschwister zu hören.
»Wenn du und Arva scheitern solltet, muss ich dich mit Conny verkuppeln, die will auch mal so eine Großfamilie.«
Er wirkte verwirrt, schließlich war ich für ihn lesbisch.
»Du nicht?« Diese Augen …
»Ich weiß nicht. Ich bin quasi ohne Mutter groß geworden, von daher kann ich es mir auch nicht vorstellen, selber mal eine zu sein.« Ich zuckte mit den Schultern. »Mütter sind mir suspekt … bis auf Conny und Mischa komme ich eigentlich mit Kerlen besser zurecht.« Ich glaube, deswegen hatte es Carmen so schwer mit mir.
»Das überrascht mich ehrlich gesagt, aber wir sind ja auch einfacher gestrickt«, sagte er und zwinkerte mir zu, bevor er sich erhob und ein paar der herumliegenden Klamotten einsammelte. Er hielt kurz inne und sah mich ernst an. »Darf ich fragen, was mit deiner Mutter ist?«
»Sie war Archäologin und selten daheim.« Ich zuckte wieder mit den Schultern. »Vor ungefähr zwei Jahren ist sie an Krebs gestorben.«
»Das … das tut mir leid.«
»Schon gut«, seufzte ich und befühlte heimlich den Stoff seines Bettlakens. Mein Blick fiel auf ein Bild von Ilian und Arva an der Wand. Sie hatte von hinten ihre Arme um den nach vorne gebeugten Ilian geschlungen und beide lachten aus vollem Herzen. Es war wie ein Stich mitten in meins.
Ilian bemerkte, dass ich das Bild betrachtete.
»Schön!«,
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