Feuerherz
mal in dein Zimmer«, sagte mein Bruder. »Ilian und ich machen einen kurzen Abstecher zur Toilette.«
Ich runzelte die Stirn, tat aber, was er sagte. Rabiya sah ihnen mit sorgenvollen Augen nach.
»Was mache ich nur mit dem Kind?«, seufzte sie.
»Ich fürchte, er wollte seine Angst ertränken«, dachte ich laut und Rabiya nickte.
»Seine Augen wirken ganz verstört, seit er wieder da ist.«
Echt? Oh Mann, war mir das entgangen? Ich fühlte mich plötzlich ganz mies. Rabiya legte einen Arm um mich.
»Wenn irgendetwas ist, komm mich wecken, okay?«
Ich nickte und ging in mein Zimmer. Es dauerte einige Zeit, bis Thomas und Ilian herein kamen.
»Was habt ihr gemacht?«, wollte ich wissen.
»Etwas, was ich schnell wieder vergessen will«, antwortete Thomas und gähnte noch ein »Gute Nacht« hinterher. Ilian stolperte zum Bett herüber und legte sich neben mich. Er war zwar blass, wirkte aber irgendwie nüchterner.
»Alles okay?«, fragte ich. Glasige Augen sahen mich erschöpft an.
»Dein Bruder hat mir seinen Finger in den Hals gesteckt«, erzählte er mit säuselnder Stimme. »Das war unschön.«
Mein Mund verzog sich angewidert.
»Er wollte nicht, dass ich dir ins Bett kotze.«
»Aha.« Hättet ihr was Intelligenteres gewusst?
»Lissy?«
»Hmh?«
»Ich habe Angst.«
Ich drückte seinen Kopf an meine Brust. »Ich weiß, Schatz.« Sanft küsste ich seine Stirn. »Ich weiß.«
***
Rabiya schimpfte mit Ilian schon seit zehn Minuten im Gästezimmer. Ich verstand nicht, was sie sagte, weil sie die Drachensprache benutzte. Dennoch war es hart für mich, nicht einfach hereinzuplatzen und Ilian zu verteidigen. Gott, unterm Strich war es doch meine eigene Schuld. Er war wegen mir so überdreht gewesen, hatte seine Ängste zurückgestellt. Ja, es war nicht sonderlich klug von ihm gewesen, sich in dem Haus, in dem er zu Gast war, die Kante zu geben, wo er am nächsten Morgen doch zur Schule musste. Aber er hatte die Hölle durchgemacht und da konnte man doch etwas Gnade walten lassen, oder?
»Na, Schwesterchen, wie war die Nacht?« Thomas stellte sich neben mich in den Flur und starrte mit mir auf die Tür zum Gästezimmer.
»Laut«, seufzte ich. »Ilian hat geschnarcht.« Ich sah Thomas an. »Danke für deine Hilfe.«
Er lächelte und legte einen Arm um mich. »Es ist seltsam, aber ich mag deinen Freund.«
»Obwohl er ein Drache ist?«
»Ich finde, er hat Mut bewiesen.«
Ich runzelte die Stirn.
»Er hat dich gegen sein Nest verteidigt, er ist zu uns nach Hause gekommen, obwohl er wusste, dass wir zum Orden gehören und er ist dir zuliebe mit zwei Jägern ins Kino gegangen. Spätestens da habe ich mir gedacht, dass der kleine Drache echt Eier in der Hose hat und es ernst mit dir meint.«
Ich atmete tief durch.
»Das heißt nicht, dass ich glücklich bin, dass du mit einem Drachen zusammen bist, aber die Balaurs scheinen wirklich anders zu sein.«
»Wie ich es gesagt habe.«
»Ja, Klugscheißer.« Damit ließ er mich wieder alleine stehen, ging die Treppe herunter und pfiff dabei das Lied Whistle von Flo Rida . Wenigstens hatte einer hier gute Laune. Die Tür des Gästezimmers ging auf. Rabiya kam heraus, Ilian folgte ihr. Als sie mich sah, wechselte sie die Sprache.
»Das mit Roran muss ich mir noch einmal gut überlegen, wenn du dich so unreif benimmst«, schimpfte sie und Ilian, der vorher noch den Boden gemustert hatte, sah jetzt erschrocken auf. Er schenkte mir einen kurzen Seitenblick, dann sah er seine Mutter an.
»Das kannst du nicht machen. Roran ist mein Sohn!«
»Den ich großziehen soll, Ilian! Er ist ein Baby, er braucht einen verantwortungsvollen Erwachsenen und keinen betrunkenen Vater.«
Ilians Augen flackerten vor Wut. Rabiya bemerkte das.
»Beherrsche dich, Sohn!«
»Als ob du nie mal einen schwachen Moment hast«, zischte er in leisem Ton. »Roran war bei dir in Sicherheit! Und ich habe dir doch schon gesagt, dass er und ich dich auch weiterhin brauchen werden.«
Rabiya atmete tief durch und schloss einen Moment die Augen, bevor sie sie wieder öffnete und Ilian mit einem liebevollen Blick bedachte.
»Tut mir leid, Schatz.« Sie ging auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Ich musste lächeln. Als sie sich wieder von ihm löste, legte sie ihre Hände auf seine Schultern.
»Ich gebe zu, dass deine Bitte mich schwer beschäftigt hat, weil ich … na ja, ich liebe Roran wirklich sehr, und als ich dich dann gestern Abend betrunken gefunden habe, da habe ich rotgesehen. Ich
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