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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wurzeln herausragten … und manchmal konnte ich acht Meter höher ein wenig Tageslicht sehen. Manchmal kam jemand – wahrscheinlich der Befehlshabende – und fragte, ob ich bereit sei zu reden. Er sagte, ich würde dort unten so weiß werden wie ein Fisch. Mein Gesicht würde sich entzünden, und ich würde Wundbrand im Gesicht bekommen, wovon mein Gehirn verfaulen würde. Zuerst würde ich verrückt werden und dann sterben. Er fragte, ob ich nicht gern aus der Dunkelheit herauswollte, um wieder die Sonne zu sehen. Ich bat und winselte … ich schwor bei meiner Mutter, daß es nichts gab, was ich ihnen mitteilen könnte. Und dann lachten sie und legten die Bretter wieder über das Loch und schütteten Erde darauf. Ich war wie lebendig begraben. Die Dunkelheit … wie hier …«
    Ein ersticktes Geräusch kam aus seiner Kehle, und Charlie drückte seine Hand fester, um ihn ihre Anwesenheit spüren zu lassen.
    »Von diesem Raum ging ein kleiner, etwa fünf Meter langer Tunnel ab. Ich mußte bis zum Ende des Tunnels kriechen, wenn ich … du weißt schon. Und die Luft war schlecht, und ich glaubte, da unten in der Dunkelheit ersticken zu müssen, ersticken am Gestank meiner eigenen Schei …« Er stöhnte. »Es tut mir leid. Das sollte man einem Kind nicht erzählen.«
    »Warum nicht? Wenn Sie sich dann besser fühlen, ist es schon in Ordnung.«
    Er überlegte eine Weile und beschloß, noch ein wenig weiterzugehen.
    »Fünf Monate lang war ich dort unten, bis ich ausgetauscht wurde.«
    »Was bekamen Sie denn zu essen?«
    »Sie warfen verfaulten Reis herunter. Und manchmal Spinnen. Lebende Spinnen. Ganz große – wahrscheinlich Baumspinnen. Ich fing sie in der Dunkelheit, tötete und aß sie.«
    »Oh, wie entsetzlich’.«
    »Sie machten mich zum Tier«, sagte er und schwieg einen Augenblick. Er atmete schwer. »Du hast es besser als ich damals, Kleine, aber es läuft so ziemlich auf dasselbe hinaus. Eine Ratte in der Falle. Glaubst du, daß das Licht bald wieder angeht?«
    Sie sagte längere Zeit nichts, und ihn fror bei dem Gedanken,aß er vielleicht ihr Mißtrauen geweckt hatte. Dann sagte Charlie: »Das macht nichts. Wir sind doch zu zweit.«
    Du hast recht«, sagte er und fügte dann hastig hinzu: »Du wirst doch nichts erzählen? Wenn sie wüßten, was ich gesagthabe, würden sie mich feuern. Ich brauche diesen Job. Wenn man so aussieht wie ich, braucht man einen guten Job.«
    »Nein, ich werde nichts sagen.«
    Er spürte, daß der Meißel weiter eindrang. Sie hatten jetzt ein gemeinsames Geheimnis.
    Er hatte sie in der Hand.
    In der Dunkelheit dachte er darüber nach, wie es sein würde, wenn er ihr die Hände um den Hals legte. Das war natürlich das eigentliche Ziel – nicht ihre albernen Tests, nicht ihre kindlichen Spiele. Er würde sie töten … und dann vielleicht sich selbst. Er mochte sie, er mochte sie wirklich. Vielleicht fing er sogar an, sich in sie zu verlieben. Die Zeit würde kommen, da er sie in die Jagdgründe schicken würde, und dabei würde er ihr die ganze Zeit aufmerksam in die Augen schauen. Und dann, wenn ihre Augen ihm das Signal gaben, nach dem er schon so lange suchte, würde er ihr vielleicht folgen. Ja. Vielleicht würden sie gemeinsam in die wahre Dunkelheit hinübergehen.
    Draußen, außerhalb der verriegelten Türen, gab es noch immer einigen Wirbel, manchmal näher, manchmal etwas weiter weg.
    Im Geist spuckte Rainbird sich in die Hände und machte sich wieder daran, das Mädchen zu bearbeiten.
9
    Andy hatte keine Ahnung, daß sie ihn deshalb nicht herausgeholt hatten, weil sich bei Stromausfall automatisch die Türen verriegelten. Halb betäubt vor Panik blieb er noch eine ganze Zeit sitzen, war davon überzeugt, daß das Gebäude brannte, und bildete sich ein, den Rauch riechen zu können. Draußen hatte sich das Gewitter verzogen, und die Sonne des späten Nachmittags schien schräg gegen die Dämmerung an.
    Ganz plötzlich fiel ihm Charlie ein, und er sah ihr Gesicht deutlich, als ob sie vor ihm gestanden hätte.
    (Sie ist in Gefahr, Charlie ist in Gefahr)
    Es war eine seiner Vorahnungen, die erste seit jenem letzten Tag in Tashmore. Er dachte, er hätte diese Fähigkeit zusammenmit der psychischen Beeinflussung verloren, aber das war offensichtlich nicht der Fall, denn eine so klare Vorahnung wie diese hatte er noch nie gehabt – nicht einmal an dem Tag, an dem Vicky ermordet wurde.
    Konnte das bedeuten, daß er auch jene andere Fähigkeit noch besaß? War sie gar nicht

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