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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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beschäftigte, hörte nicht auf, danach zu verlangen.
    Hier und jetzt gab es keine Lösung, und die Vergangenheit stand vor ihm auf. Er sah Charlie und sich wie in einem in Zeitlupe ablaufenden Alptraum die Third Avenue hochlaufen, einen Mann in abgewetzter Cordjacke und ein kleines Mädchen in Rot und Grün. Er sah Charlies verzerrtes, blasses und tränenüberströmtes Gesicht, nachdem sie auf dem Flugplatz das Kleingeld aus den Münzfernsprechern geholt hatte … das Kleingeld hatte sie bekommen und einem Soldaten die Schuhe in Brand gesteckt.
    Seine Gedanken schweiften noch weiter zurück, und er dachte an seinen Laden in Port City, Pennsylvanien, und an Mrs. Gurney. Betrübt war die fette Mrs. Gurney in sein Büro gekommen und hatte auf den sorgfältig gemalten Slogan gedeutet, der eigentlich Charlies Idee gewesen war. Sie werden abnehmen, oder wir bezahlen Ihre Lebensmittel für die nächsten sechs Monate.
    Mrs. Gurney hatte ihrem Mann, einem Expedienten, zwischen 1950 und 1957 vier Kinder geboren, und nun waren die Kinder groß und von ihrer Mutter angewidert, und auch ihr Mann war von ihr angewidert und hatte eine andere, und das konnte sie gut verstehen, denn er war mit fünfundfünfzig immmer noch ein gutaussehender vitaler und kräftiger Mann, und sie hatte im Laufe der Jahre um hundertfünfzig Pfund zugenommen. Seit ihrer Eheschließung, als sie hundertzwanzig wog, war ihr Gewicht auf satte zweihundertsiebzig Pfund geklettert. Prall und monströs und verzeifelt war sie in ihrem grünen Hosenanzug hereingekommen, und ihr Hintern war fast so breit wie der Schreibtisch eines Bankpräsidenten. Als sie sich hinabbeugte, um ihr Scheckheft aus der Handtasche zu holen, verwandelte sich ihr Dreifachkinn in ein sechsfaches.
    Er hatte sie zusammen mit drei anderen fetten Frauen in einen Kursus gesteckt. Er machte mit ihnen Leibesübungen und verordnete eine leichte Diät. Über beides hatte Andy in der Öffentlichen Bücherei nachgelesen; dann gab es aufmunternde Gespräche, die er «Beratung« nannte, und hin und wieder gab er ihnen psychische Anstöße von mittlerer Intensität.
    Mrs. Gurney hatte von zweihundertsiebzig auf zweihundertfünfzig, dann auf zweihundertdreißig abgenommen und mit einer Mischung aus Angst und Entzücken gestanden, daß sie beim Essen seit einiger Zeit auf die zweite Portion verzichtete Sie schien ihr einfach nicht mehr zu schmecken. Vorher hatte sie immer schüsselweise Naschwerk im Kühlschrank stehen gehabt (und Schmalzgebackenes im Brotkasten und zwei oder drei Käsekuchen im Gefrierfach), um für den Fernsehabend gerüstet zu sein, aber in letzter Zeit … es hörte sich verrückt an … vergaß sie die Sachen einfach. Dabei hatte man ihr immer gesagt, daß man während einer Schlankheitskur an gar nichts anderes als an süße Sachen denken kann. Als sie es einmal bei den Weight Watchers versucht hatte, sei es ganz anders gewesen als jetzt.
    Die anderen drei Frauen hatten ähnlich günstig auf die Beeinflussung reagiert. Andy wartete nur ab und verfolgte die Entwicklung und hegte seinen Klientinnen gegenüber auf absurde Weise väterliche Gefühle. Alle vier waren erstaunt und erfreut über ihre gemeinsamen guten Erfahrungen. Die körperlichen Übungen, die ihnen sonst immer so langweilig und anstrengend vorgekommen waren, erschienen ihnen jetzt fist als Vergnügen. Und dann dieser ständige Drang spazierenzugehen. Sie waren sich alle darüber einig, daß sie sich erst richtig wohl fühlten, wenn sie im Laufe des Tages eine beachtliche Strecke zu Fuß zurückgelegt hatten. Mrs. Gurney erzählte, da sie es sich angewöhnt habe, jeden Tag zu Fuß in die Stadt und zurück zu gehen, und das, obwohl die Gesamtstrecke länger als zwei Meilen war. Früher hatte sie immer den Bus genommen was auch eigentlich vernünftig war, denn die Haltestelle befand sich direkt vor ihrem Haus. Als sie eines Tages doch wieder mit dem Bus gefahren war – weil ihr die Muskeln an den Schenkeln so sehr weh taten –, hatte sie ein so dummes und unruhiges Gefühl gehabt, daß sie an der zweiten Haltestelle wieder ausgestiegen war. Die anderen stimmten ihr zu, und sie priesen Andy McGee trotz aller Muskelschmerzen in höchsten Tönen.
    Beim dritten Wiegen hatte Mrs. Gurney ihr Gewicht auf zweihundertzehn Pfund gedrückt, und als ihr Sechswochenkursus zu Ende war, wog sie weit unter zweihundert Pfund. Ihr Mann, so berichtete sie, hätte es kaum glauben können, da sie doch schon so viele Diätprogramme ohne

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