Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
mit zusammengepreßten Lippen und reichte sie dann an Irv in seinem Krankenbett weiter.
    Es geht um die nationale Sicherheit, hatte Tarkington an jenem schrecklichen Abend gesagt. Das müssen Sie verstehen. Wir tun es ungern, aber wir müssen ganz einfach darauf dringen, daß Sie Vernunft zeigen. Dies sind Dinge, über die Sie sehr wenig wissen.
    Ich weiß, daß Sie versucht haben, einen unbewaffneten Mann und seine kleine Tochter umzubringen, hatte Irv geantwortet.
    Tarkington hatte kalt gelächelt – ein für jene Leute reserviertes Lächeln, die närrischerweise so tun, als wüßten sie, wie die Regierung arbeitet, um die ihr Anvertrauten zu schützen – und erwidert, Sie wissen nicht, was Sie gesehen haben und was es bedeutet. Es ist nicht mein Job, Sie von dieser Tatsache zu überzeugen. Mein Job ist es, Sie zu veranlassen, nicht darüber zu reden. Schauen Sie her: dies brauchte alles gar nicht so schwierig zu sein. Der Scheck ist steuerfrei. Er reicht für die Reparaturen an Ihrem Haus und für die Krankenhausrechnung, und es bleibt noch eine hübsche Summe übrig. Lhd überdies können wir auf diese Weise viele Unannehmlichkeiten vermeiden.
    Unannehmlichkeiten, dachte Norma jetzt, während sie Dr. Hofferitz im Hinterzimmer hantieren hörte, und sah auf ihr Abendessen, das sie kaum angerührt hatte. Als Tarkington damals gegangen war, hatte Irv sie angeschaut, und sein Mund hatte gelächelt, aber seine Augen hatten elend und gekränkt geblickt. Er sagte zu ihr: Mein Vater sagte immer, wenn man an einem Wettbewerb im Scheißeschleudern teilnimmt, spielt es keine Rolle, wieviel man wirft, sondern wieviel an einem hängenbleibt.
    Sie stammten beide aus kinderreichen Familien. Irv hatte drei Brüder und drei Schwestern; Norma hatte vier Schwestern und einen Bruder. Sie hatten haufenweise Onkel, Nichten, Neffen und Cousinen. Es gab Eltern, Großeltern, Schwäger … und, wie in jeder Familie, ein paar schwarze Schafe.
    Einer von Irvs Neffen, ein Junge namens Fred Drew, den er höchstens drei-oder viermal gesehen hatte, baute laut Tarkingtons Unterlagen in einem Hinterhof in Kansas Rauschgift an. Einer von Normas Onkeln, ein Bauunternehmer, steckte bis zum Hals in Schulden und windigen Geschäften an der Golfküste von Texas; dieser Mann, der Milo Breedlove hieß, mußte eine siebenköpfige Familie ernähren, und ein Wink seitens der Regierung hätte Milos ganzes Kartenhaus zum Einsturz gebracht, und sie wären alle als gewöhnliche Bankrotteure auf die Fürsorge angewiesen. Eine von Irvs Cousinen (eine Cousine zweiten Grades, die er wahrscheinlich irgendwann kennengelernt hatte, aber an deren Aussehen er sich nicht erinnern konnte) hatte offenbar bei der Bank, bei der sie bis vor sechs Jahren beschäftigt war, einen gewissen Geldbetrag unterschlagen. Es war herausgekommen, aber die Bank hatte auf eine Strafanzeige verzichtet, um ungünstige Publicity zu vermeiden. Irvs Cousine hatte den Schaden innerhalb von zwei Jahren ersetzt und war jetzt mit einem Schönheitssalon in North Fork, Minnnesota, leidlich erfolgreich. Aber die Sache war noch nicht verjährt, und sie konnte immer noch nach irgendwelchen das Bankgewerbe betreffenden Bundesgesetzen verfolgt werden. Das FBI hatte eine Akte über Normas jüngsten Bruder Don. Don hatte in den Sechzigern in linksgerichteten Studentenkreisen verkehrt und könnte Mitwisser eines geplanten Bombenanschlags auf das Büro der Dow Chemical Company in Philadelphia sein. Die Beweise reichten zur Anklageerhebung nicht aus (und Don hatte Norma selbst erzählt, daß er sich entsetzt von der Gruppe abgewandt habe, als er erfuhr, was dort gespielt wurde), aber wenn eine Kopie der Akte seiner Firma zugespielt worden wäre, hätte er mit Sicherheit seinen Job verloren.
    Endlos und mit monotoner Stimme hatte Tarkington in dem engen kleinen Zimmer auf sie eingeredet. Das Beste hatte er sich für den Schluß aufgespart. Als Irvs Urgroßeltern 1888 aus Polen nach Amerika kamen, hatte die Familie noch Mandrowski geheißen. Sie waren Juden, obwohl seit seinem Großvater, der eine Nichtjüdin geheiratet hatte, niemand aus der Familie noch dem mosaischen Glauben anhing; sie selbst hatten immer in einem glücklichen Agnostizismus gelebt. Der jüdische Anteil war weiter zurückgegangen, als auch Irvs Vater eine Nichtjüdin heiratete (und Irv hatte es ihm durch seine Eheschließung mit Norma Breedlove, die aus einer Methodistenfamilie stammte, gleichgetan). Aber in Polen lebten noch Mandrowskis, und

Weitere Kostenlose Bücher