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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»sie hat mit dem Ärger zu tun, den wir hier im letzten Jahr hatten. Deshalb habe ich Sie gerufen, Karl. Sie haben selbst Schwierigkeiten erlebt, hier und früher in Europa. Sie wissen, was wahre Schwierigkeiten sind. Und Sie wissen, daß Gesetze nur so gut sind wie die Leute, die sie handhaben. Ich sage nur dies: Wenn Sie darüber reden, daß das kleine Mädchen hier ist, werden eine Menge Leute, die es nicht verdient haben, erhebliche Schwierigkeiten bekommen. Norma und ich, eine ganze Anzahl von unseren Verwandten … und sie selbst. Mehr, glaube ich, kann ich Ihnen nicht sagen. Wir kennen uns seit fünfundzwanzig Jahren. Sie müssen selbst entscheiden, was Sie tun wollen.«
    »Und wenn ich den Mund halte«, sagte Hofferitz und zündete sich noch eine Zigarette an, »was werden Sie dann tun?«
    Irv und Norma schauten einander an. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf und schlug die Augen nieder.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Irv ruhig.
    »Wollen Sie sie wie einen Papagei in einem Käfig halten?« fragte Hofferitz. »Dies ist eine kleine Stadt, Irv. Ich kann den Mund halten, aber ich bin in der Minderheit. Ihre Frau und Sie sind Mitglieder in der Kirche. Sie sind im Farmerverein. Hier kommen und gehen die Leute. Die Meiereiinspektoren überwachen Ihre Kühe. Eines schönen Tages kommt der Mann vom Finanzamt – dieser widerliche Glatzkopf –, um Ihr Gebäude zu veranlagen. Was wollen Sie tun? Ihr im Keller ein Zimmer ausbauen? Schönes Leben für ein kleines Kind.«
    Norma sah immer besorgter aus.
    »Ich weiß es nicht«, wiederholte Irv. »Ich denke, ich muß ein wenig darüber nachdenken. Ich weiß, was Sie meinen … aber wenn Sie die Leute kennen würden, die hinter ihr her sind …« Hofferitz sah ihn scharf an, aber er sagte nichts.
    »Ich muß nachdenken. Werden Sie wenigstens vorläufig schweigen?«
    Hofferitz schob sich die letzte Olive in den Mund, seufzte und stand auf. Er hielt sich mit der Hand an der Tischkante fest. »Es geht ihr einigermaßen. Die Entzündung wird durch die Medikamente zurückgehen. Ich werde den Mund halten, Irv. Aber Sie sollten sich Gedanken machen. Lange und gründlich. Denn ein kleines Kind ist kein Papagei.«
    »Nein«, sagte Norma leise. »Natürlich nicht.«
    »Etwas ist seltsam an dem Kind«, sagte Hofferitz und nahm seine schwarze Tasche auf. »Etwas an ihr ist verdammt merkwürdig. Ich habe es gesehen. Ich kann es nicht genau definieren … aber ich habe es deutlich gemerkt.«
    »Ja«, sagte Irv. »Es ist wirklich etwas Seltsames an ihr, Karl. Deshalb steckt sie ja auch in Schwierigkeiten.«
    Er begleitete den Arzt in den warmen, verregneten Novemberabend hinaus.
5
    Nachdem der Doktor sie mit seinen alten, knotigen, aber wunderbar sanften Händen abgetastet und befühlt hatte, fiel Charlie in einen fiebrigen, aber nicht unangenehmen Halbschlaf. Sie hörte die Stimmen im Nebenzimmer. Sie wußte, daß man über sie sprach, aber sie war ganz sicher, daß nur geredet wurde … daß keine Pläne ausgeheckt wurden.
    Die Laken waren kühl und sauber. Die Steppdecke auf ihrer Brust gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Gedanken zogen vorbei. Sie erinnerte sich an die Frau, die ihr gesagt hatte, sie sei eine Hexe. Sie erinnerte sich daran, daß sie weggegangen war. Sie erinnerte sich daran, daß ein Wagen voller Hippies sie mitgenommen hatte, die Hasch rauchten und Wein tranken. Und sie hatten sie kleine Schwester genannt und gefragt, wohin sie wolle.
    »Nach Norden«, hatte sie geantwortet, und das hatte einen Begeisterungssturm ausgelöst.
    An das, was danach geschehen war, konnte sie sich kaum erinnern. Sie wußte nur noch, daß sie gestern von einem Schwein angegriffen worden war. Wahrscheinlich wollte es sie fressen. Wie sie die Mandersfarm erreicht hatte, warum sie hergekommen war – ob es ein bewußter Entschluß gewesen war oder etwas anderes –, an all das erinnerte sie sich nicht.
    Endlich schlief sie fest ein. Und im Traum waren sie wieder alle in Harrison, und mit tränennassem Gesicht fuhr sie nachts im Bett hoch und schrie vor Entsetzen, und ihre Mutter stürzte herein, und ihr rotblondes Haar glänzte in der Morgensonne, und Charlie hatte geweint. »Mami, ich habe geträumt, du wärst tot und Daddy auch.« Und ihre Mutter streichelte ihr mit ihrer kühlen Hand die heiße Stirn und sagte: »Pssst, Charlie, pssst. Es ist schon heller Morgen. Was für ein alberner Traum.«
6
    Für Irv und Norma Manders gab es in dieser Nacht wenig Schlaf. Sie sahen zur

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