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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Tageslicht ansah, wie sein Haar gegen eine Seite seines narbigen und blutigen Gesichts geklatscht war und ein großer Dreckfleck seine bleiche Hüfte zierte, dort, wo er im Schlamm gelegen hatte, dann wusste sie eigentlich nicht mehr, wieso. Aus irgendeinem Grund, kalt und müde im Dunkeln, hatte sie jemanden anfassen und für kurze Zeit warm sein wollen, und sie hatte sich erlaubt zu denken, wem würde es schaden?
    Das war Irrsinn.
    Ihnen beiden würde es schaden, das war offensichtlich. Wo früher klare Fronten bestanden, würde es nun garantiert schwierig werden. Wo sie zuvor eine gewisse Übereinkunft gehabt hatten, würde von nun an Verwirrung herrschen. Sie war jetzt schon verwirrt, und er sah verletzt und wütend aus. Das war wohl auch keine Überraschung. Niemand lässt sich gern einen Ellenbogen ins Gesicht hauen, wenn er schläft. Sie öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, und dann fiel es ihr auf: Sie kannte nicht einmal das Wort. Sie wusste es nur in Kantesisch zu sagen, aber sie war so böse auf sich selbst, dass sie es ihm wie eine Beleidigung entgegenschleuderte.
    Er jedenfalls nahm es so auf. Seine Augen verengten sich, und er zischte ihr etwas in seiner eigenen Sprache entgegen, riss seine Hosen an sich und schob ein Bein hinein, während er weiter zornig vor sich hin murmelte.
    »Scheiß-Rosig«, fauchte sie zurück, die Fäuste in einem Anfall von Zorn geballt. Sie schnappte sich ihr zerrissenes Hemd und wandte ihm den Rücken zu. Offenbar hatte sie es auf einem nassen Fleck liegen lassen. Das zerlumpte Tuch umschlang ihre fröstelnde Haut wie eine Schicht kalten Schlamms, als sie es sich überwarf.
    Verdammtes Hemd. Verdammter Rosig.
    Voll hilflosem Zorn knirschte sie mit den Zähnen, während sie ihren Gürtel zuzog. Verdammter Gürtel. Wieso hatte sie ihn bloß nicht geschlossen gehalten. Es war immer dasselbe. Der Umgang mit Menschen war an sich schon schwierig, aber sie konnte sich darauf verlassen, dass sie sich selbst die Dinge immer schwerer machte, als sie von Natur aus waren. Einen Augenblick hielt sie inne, senkte den Kopf und wandte sich ihm dann halb zu.
    Beinahe hätte sie ihm erklärt, dass sie ihm nicht auf den Mund hatte schlagen wollen, dass aber nie etwas Gutes geschah, wenn sie es sich erlaubte einzuschlafen. Beinahe hätte sie ihm gesagt, dass sie einen Fehler gemacht hatte, dass sie nur ein bisschen Wärme gesucht hatte. Beinahe hätte sie ihn gebeten zu warten.
    Aber er stürmte bereits aus der verfallenen Tür, seine restlichen Kleidungsstücke unter den Arm geklemmt.
    »Fick mich doch«, zischte sie, als sie sich setzte und sich ihre Stiefel anzog.
    Aber das genau war ja das Problem.
     
    Jezal saß auf den abbröckelnden Stufen des Tempels, zupfte trübsinnig an den ausgefransten Stichen der ausgerissenen Schulter seines Mantels und starrte über die endlose schlammige Weite zu den Ruinen von Aulcus hinüber. Ohne nach etwas Bestimmtem Ausschau zu halten.
    Bayaz lag aufgestützt hinten im Karren, das Gesicht knochig und leichenblass. Um seine eingesunkenen Augen quollen die Adern hervor, und harte Falten hatten sich finster um seine farblosen Lippen eingegraben. »Wie lange warten wir denn noch?«, fragte Jezal schon wieder.
    »So lange, wie es sein muss«, gab der Magus kurz angebunden zurück, ohne ihn auch nur anzusehen. »Wir brauchen sie.«
    Bruder Langfuß stand, die Arme vor der Brust verkreuzt, etwas erhöht auf den Stufen und warf Jezal einen besorgten Blick zu. »Ihr seid natürlich mein Dienstherr, und es steht mir nicht an, Euch zu widersprechen …«
    »Dann lasst es«, knurrte Bayaz.
    »Aber Neunfinger und diese Maljinn«, fuhr der Wegkundige unbeirrt fort, »sind mit größter Sicherheit tot. Meister Luthar sah sie ganz deutlich in den Abgrund stürzen. Einen Abgrund von großer Tiefe. Meine Trauer kennt keine Grenzen, und nur wenige Menschen sind geduldiger als ich, Geduld zählt zu meinen bemerkenswerten Fähigkeiten … aber … nun ja … auch wenn wir bis ans Ende aller Zeiten warteten, ich fürchte doch, es würde keinen …«
    »So lange …«, grantelte der Erste der Magi, »wie es sein muss.«
    Jezal holte tief Luft, blickte dem Wind trotzend vom Hügel zur Stadt, und seine Augen glitten über das weite, flache Nichts. Die Landschaft war von kleinen Rinnen durchzogen, in denen Bäche verliefen, und der graue Streifen einer verfallenen Straße kroch von den weit entfernten Stadtmauern auf sie zu. Dazwischen erhoben sich die Umrisse verfallener

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