Feuerklingen (First Law - Band 2)
kommen, aber dieses Mal auf ewig. Vielleicht können Sie sich in der Zwischenzeit Ihre kleine Ansprache über das moralische Für und Wider der Strafkolonien neu zurechtlegen. Die können Sie dann gern hier aufsagen.« Lorsen wandte sich ab. »Und jetzt nehmen Sie meine Gefangenen und verschwinden Sie. Ich muss noch einen Brief schreiben.«
REGEN
Für Jezal war ein guter Sturm bisher beste Unterhaltung gewesen. Regentropfen, die auf das Straßenpflaster aufschlugen, die auf die Mauern und Dächer des Agrionts prasselten und wild dahinschießende Flüsschen in den Rinnsteinen bildeten. Etwas, das man lächelnd durch die tropfenbesetzte Fensterscheibe hindurch betrachtete, während man in der warmen und trockenen Stube saß. Etwas, das die jungen Damen im Park überraschte und sie kreischen ließ, während ihre Kleider aufregend eng an die feuchte Haut gepresst wurden. Etwas, durch das man mit Freunden lachend hindurchlief, während man von einer Taverne in die nächste zog, bevor man sich dann vor einem lodernden Feuer mit einem Krug heißen gewürzten Weins wieder aufwärmte. Jezal hatte früher den Regen ebenso sehr genossen wie die Sonne. Aber das war eben früher gewesen.
Hier draußen auf der Ebene waren die Stürme von anderer Art. Hier waren sie nicht wie der Zornausbruch eines bockigen Kindes, den man am besten dadurch beendete, dass man ihn übersah. Hier waren die wilden Stürme kalt und mörderisch, gnadenlos und böswillig, bitter und unerbittlich, und offenbar machte es einen riesengroßen Unterschied, dass das nächste Dach Hunderte von Meilen hinter ihnen lag und die nächste Taverne sowieso. Der Regen kam in großem Schwall und tränkte die endlose Ebene und alles, was sich auf ihr bewegte, mit eiskaltem Wasser. Die dicken Tropfen schlugen wie kleine Steinchen auf Jezals Kopfhaut, stachen seine ungeschützten Hände, den oberen Teil der Ohren und den Nacken. Wasser rann durch sein Haar, über die Augenbrauen, floss in kleinen Strömen über sein Gesicht und sickerte in seinen durchtränkten Kragen. Der Regen lag wie ein grauer Vorhang über dem Land und verbarg alles, was mehr als hundert Schritte vor ihnen lag, wobei sich vor ihnen natürlich ohnehin nichts befand, weder dort noch sonstwo.
Jezal erschauerte und presste die Aufschläge seines Mantels mit einer Hand zusammen. Es war eine sinnlose Geste, denn er war inzwischen längst bis auf die Haut durchnässt. Der verdammte Ladenbesitzer in Adua hatte ihm versichert, dass dieser Mantel absolut wasserdicht sei. Er hatte jedenfalls reichlich viel dafür bezahlt; im Laden beim Anprobieren hatte er denn auch sehr gut darin ausgesehen, ganz wie ein harter Kerl, der jeder Witterung trotzte, aber die Nähte hatten schon die erste Feuchtigkeit durchgelassen, als noch die ersten Tropfen fielen. Seit einigen Stunden nun war er schon so nass, als sei er vollständig bekleidet in die Badewanne gestiegen, nur um einiges kälter.
Seine Stiefel waren voll eisigen Wassers, und seine Schenkel waren an seiner nassen Hose wund gerieben. Der patschnasse Sattel knirschte und quietschte mit jeder Bewegung seines unglücklichen Pferdes. Seine Nase lief, seine Nasenlöcher und Lippen waren rau, und sogar die Zügel taten in seinen nassen Handflächen weh. Vor allem seine Brustwarzen bereiteten ihm in diesem Meer des Unbehagens besondere Qualen. Die ganze Lage war völlig unerträglich.
»Wann hört das endlich auf?«, brummte er verbittert vor sich hin, zog die Schultern hoch und blickte flehend zum düsteren Himmel hinauf, während ihm der Regen ins Gesicht schlug und ihm in Mund und Augen geriet. Seine Vorstellung von Glück beschränkte sich in diesem Moment auf nichts weiter als ein trockenes Hemd. »Könnt Ihr da nicht irgendwas machen?«, maulte er, an Bayaz gewandt.
»Was denn zum Beispiel?«, gab der Magus kurz angebunden zurück, während das Wasser auch sein Gesicht hinunterlief und von seinem ungepflegten Bart tropfte. »Glaubt Ihr, dass mir das hier Spaß macht? Unterwegs auf der großen Ebene in einem solchen widerlichen Sturm, und das in meinem Alter? Der Himmel macht keine Ausnahmen für Magi, wenn’s regnet, pisst es auf jeden gleichermaßen herab. Ich würde vorschlagen, Ihr findet Euch damit ab und behaltet Euer Gejammer für Euch. Ein großer Anführer muss das harte Leben seines Gefolges, seiner Soldaten oder Untertanen teilen. So gewinnt er ihren Respekt. Große Anführer beklagen sich nicht. Niemals.«
»Scheiß auf diese großen Anführer«,
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