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Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Farben. Die Abendsonne durchdrang die sich ständig neu formierenden Wolken mit rosa- und orangefarbenem Licht und legte einen unwirklichen Schimmer über die graue Ebene.
    Zwei leere Wagen standen aufrecht da, ein anderer war umgeworfen worden und hatte ein Rad eingebüßt. Ihm war noch immer ein totes Pferd vorgespannt, das mit rosa aus dem Maul hängender Zunge dalag, mit zwei abgebrochenen Pfeilen in der Seite. Die Leichen lagen überall im niedergetrampelten Gras, wie Puppen, die ein schlecht gelauntes Kind liegen gelassen hatte. Einige hatten tiefe Wunden oder gebrochene Glieder oder waren von Pfeilen durchbohrt. Einem der Toten war der Arm an der Schulter abgetrennt worden, und ein kurzes Stück abgebrochenen Knochens ragte aus der Wunde wie bei einem Bratenstück.
    Um sie herum lag allerlei Unrat. Zerbrochene Waffen, zersplittertes Holz. Ein paar Truhen waren aufgebrochen worden, und man hatte Tuchballen herausgerissen und zum Teil auf dem nassen Boden abgewickelt. Eingeschlagene Fässer, zerbrochene Kisten, die man durchwühlt und geplündert hatte.
    »Kauffahrer«, knurrte Neunfinger, der sich umsah. »Wie wir zu sein vorgeben. Hier draußen ist ein Leben wirklich nicht viel wert.«
    Ferro kräuselte die Lippen. »Wo ist das anders?«
    Der Wind fegte kalt über das Land und fuhr gnadenlos durch Jezals feuchte Kleidung. Er hatte nie zuvor einen Toten gesehen, und hier lagen gleich … wie viele? Mindestens ein Dutzend. Noch während er sie zu zählen versuchte, stieg ein seltsames Gefühl in ihm auf.
    Von den anderen schien niemand besonders betroffen, wobei es bei seinen Mitreisenden auch wenig überraschend war, dass Gewalt für sie nichts Neues darstellte. Ferro kroch zwischen den Toten herum, betrachtete und durchsuchte sie mit ebenso wenig Gefühl wie ein Leichenbestatter. Neunfinger sah aus, als hätte er schon wesentlich Schlimmeres erlebt, und Jezal zweifelte nicht daran, dass er Mord und Totschlag oft genug selbst verursacht hatte. Bayaz und Langfuß wirkten milde beunruhigt, aber nicht viel mehr, als ob sie gerade die Spuren fremder Pferde entdeckt hätten. Quai schien das Ganze kaum zu interessieren.
    Jezal hätte in diesem Augenblick gern etwas von ihrer Gleichgültigkeit gehabt. Er wollte es ungern zugeben, aber ihm war mehr als ein bisschen übel. Diese Haut: schlaff und unbeweglich und wachsbleich, nach dem Regen von Feuchtigkeit überzogen. Diese Kleidung: zerrissen und von Plünderern durchsucht, sodass Stiefel, Mäntel, manchmal sogar Hemden fehlten. Diese Wunden. Ausgefranste rote Ränder, blaue und schwarze Blutergüsse, Risse und Tränen und aufklaffende Münder.
    Jezal drehte sich abrupt in seinem Sattel, sah hinter sich, nach links, nach rechts, aber überall bot sich ihm das gleiche Bild. Es gab kein Entkommen, selbst wenn er gewusst hätte, in welcher Richtung die nächste Ansiedlung lag. Sie waren zu sechst, und dennoch fühlte er sich unendlich allein. Er befand sich unter einem riesigen, offenen Himmel auf freier Fläche, und dennoch fühlte er sich gefangen.
    Einer der Toten schien ihn unentwegt anzustarren. Ein junger Mann, nicht älter als Jezal selbst, mit sandfarbenem Haar und abstehenden Ohren. Er hätte sich vielleicht rasieren können, obwohl das natürlich jetzt nichts mehr ausmachte. In seinem Bauch klaffte eine große, rote Wunde, seine blutigen Hände lagen links und rechts davon, als hätten sie versucht, sie zuzudrücken. Seine Eingeweide glänzten feucht in dunklem Purpurrot. Jezal fühlte, wie ihm die Galle hochkam. Ihm war bereits ein wenig unwohl gewesen, weil er am Morgen zu wenig gegessen hatte. Er konnte den verdammten trockenen Zwieback einfach nicht mehr sehen, und den Papp, den die anderen zusammenrührten, bekam er kaum hinunter. Er wandte sich von der Ekel erregenden Szene ab und starrte ins Gras, wobei er so tat, als hielte er nach wichtigen Hinweisen Ausschau, während sich ihm der Magen umdrehte.
    So fest er konnte, packte er die Zügel und zwang die Magensäure, die in seinen Mund strömte, wieder die Kehle hinunter. Er war ein stolzer Sohn der Union, verdammt noch mal. Und vor allem war er ein Edelmann aus einer alt eingesessenen Familie. Und ein tapferer Offizier der Königstreuen und Turniersieger. Wenn er sich jetzt wegen ein bisschen Blut übergab, noch dazu vor dieser Mischung aus Idioten und Wilden – das war eine Erniedrigung, die er sich nicht gestatten konnte. Die Ehre seiner Nation stand auf dem Spiel. Er starrte gebannt auf den nassen

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