Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Seit geraumer Zeit schleppe ich einen, ich würde sagen, intuitiven
Verdacht mit mir herum.«
»Reden
Sie nicht um den heißen Brei herum, Herr Swensen! Raus damit!«
»Sie
erinnern sich, dieser falsche Anthrax-Alarm bei Karstadt?«
»Natürlich,
diese Clique Jugendlicher! Die sollte man übers Knie legen und fertig!«
»Mir
geht es dabei um das Mädchen, das den Zettel gegen die Muslime verfasst hat.«
»Was
ist mit ihr?«
Die
Sekretärin bringt den Kaffee und verschwindet wieder mit einem Lächeln im
Gesicht.
»Der
unüberlegte Streich dieses Mädchens scheint an einer Traumatisierung der
Familie zu liegen. Ihr Türkenhass ist einfach außergewöhnlich. So weit ich
erfahren hab, sollen Türken vor Jahren Familienmitglieder ermordet haben.«
»Und
weswegen erzählen Sie mir das?«
»Der
Tote aus dem Moor! Die abgeschlagene Hand des Opfers wurde in das türkische
Kulturzentrum geworfen. Sie war vorher in einem Gefrierfach oder einer
Gefriertruhe gelagert worden.«
»Oder
in einem Gefrierhaus, oder, oder! Worauf wollen Sie hinaus?«
»Unser
Opfer ist ein Südländer. Ich hab so eine Ahnung, dass es sich um einen Türken
handelt.«
»Herr
Swensen!?«
»Es
gibt eine Anfrage bei den Behörden in Ankara, die Identität der Leiche zu ermitteln.«
»Herr
Swensen, was wollen Sie mir sagen?«
»Ich
bräuchte einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung und das Restaurant dieser
griechischen Familie!«
Staatsanwalt
Rebinger lässt sich im Stuhl nach hinten fallen. Er dreht langsam den Kopf hin
und her und überlegt.
»Sie
wissen sehr genau, dass ich auf eine solch vage Idee hin keine Durchsuchung
anordnen kann«, sagt er. »Kriegen Sie erst einmal raus, ob ihr Toter wirklich
ein Türke ist. Und selbst dann gibt es für mich noch keinen ernsthaften
Tatverdacht. Das mag ja alles in Ihrem Kopf zusammenpassen, aber ich rate
Ihnen, ermitteln Sie erst einmal gründlich auf die übliche Weise weiter.
Sprechen Sie mit den Leuten, meinetwegen auch jeden Tag.«
»Schade,
ich dachte Sie würden eine etwas unkonventionelle Methode unterstützen. Unsere
Ermittlungen treten auf der Stelle. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass der
Täter in Husum zu finden ist.«
»Die
Leiche wurde im Wilden Moor entdeckt!«
»Die
Hand scheint mir wichtiger zu sein!«
»Was
sagt Colditz dazu?«
»Mit
dem hab ich noch nicht darüber gesprochen.«
»Reden
Sie in Zukunft erst mal mit Ihrem Chef, bevor Sie zu mir kommen, Herr Swensen!
Noch einen schönen Tag!«
Swensen
nimmt noch einen kräftigen Schluck Kaffee, steht auf und dreht sich an der Tür
noch einmal um.
»Vielen
Dank noch für den Kaffee! Auf Wiedersehen!«
Auf
dem Fußweg zum Rathaus hadert er mit sich selbst. Die Entscheidung des
Staatsanwaltes war völlig korrekt, das weiß er.
Das
Ganze kann auch ein Hirngespinst sein, denkt er. In seinem Ohr pfeift es noch
immer schwach. Die Kopfschmerzen haben nachgelassen.
Die
letzte Nacht bei Anna schlief er tief und fest. Davor musste er ihr mehrere
Male den Ablauf des Einsatzes schildern, wo er genau gestanden hatte, als die
Bombe hochgegangen war. Plötzlich war ihm bewusst geworden, wie viel Glück er
gehabt hatte und wie nah er dem Tod gewesen war.
Während
der Zeit im Schweizer Tempel ließ der Meister sie öfter über den Tod
meditieren. Einmal hatte er alle Schüler auf einen Friedhof geführt und sie
angewiesen, dass jeder für sich die fünf Gewissheiten rezitieren sollte.
1. Ich weiß, dass ich alt
werde. Ich weiß, dass ich dem Alter nicht entfliehen kann.
2. Ich weiß, dass ich sterben
werde. Ich weiß, dass ich dem Tod nicht entkommen kann.
3.Ich weiß, dass ich krank
werde. Ich weiß, dass ich der Krankheit nicht entgehen kann.
4.
Ich weiß, dass ich alles, woran ich hänge, und alle, die mir lieb sind,
zurücklassen muss. Ich kann der Tatsache nicht entkommen, von allem getrennt zu
werden.
5.
Meine Taten sind mein einzig wirkliches Erbe. Ich kann den Konsequenzen meiner
Taten nicht entkommen. Sie sind der Grund, auf dem ich stehe.Es erstaunt ihn,
wie problemlos er die Sätze aus seinem Gedächtnis hervorkramen kann.
Sind
meine Taten ein gutes Erbe, rätselt er und versucht, sich auf die bevorstehende
Pressekonferenz zu konzentrieren. Colditz hatte ihn gebeten, sie zu moderieren.
Sie soll in einem kleinen Raum im Rathaus stattfinden, weil im Container nicht
genügend Platz ist. Der Kommissar geht am Finanzamt vorbei und biegt in die Ludwig-Nissen-Straße
ab. Zwanzig Meter vor ihm geht eine Frau in einer roten
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