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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Büro!«
    »Die
Alarmanlage ist um 6.13 Uhr losgegangen«, sagt der Schutzpolizist aus Tönning,
der neben Swensen steht. »Zirka zehn Minuten später waren wir da. Nichts. Der
Täter war schon getürmt. Wir haben die Fahndung eingeleitet und euch
benachrichtigt.«
    »Wann
kann ich den Laden endlich aufmachen?«, fragt der Filialleiter und bläst seine
Pausbäckchen auf. »Es ist schon acht! Vor der Tür warten bereits Kunden!«
    »Ganz
langsam mit den jungen Pferden, Herr Schudt! Wir sind vor zehn Minuten erst aus
Husum hier angekommen! Die Spurensicherung ist schon an der Arbeit! Wir können
nicht hexen!«
    »Und
wer kommt für den Verdienstausfall auf?«, knurrt der Filialleiter und
unterstreicht seine Worte mit übertriebener Gestik.
    »Wir
nicht, Herr Schudt! Damit alles möglichst schnell geht, melden Sie sich bitte
im VW-Bus, gleich neben dem Eingang. Dort sitzt Hauptkommissarin Haman, und der
erzählen Sie den gesamten Ablauf nochmal bis in alle Einzelheiten. Das kommt
dann alles ins Protokoll.«
    Nachdem
der weiße Kittel hinter der Hausecke verschwunden ist, atmet Swensen
erleichtert durch. Der furchtbare Abschluss des Urlaubs steckt ihm immer noch
in den Knochen.
    Letzten
Sonntagmittag waren er und Anna in Hamburg gelandet und mit dem Zug nach Husum
weitergereist. Vor dem Bahnhof hatten sie sich getrennt und waren mit Taxis
jeder in seine Wohnung gefahren. Swensen hatte seinen Koffer ungeöffnet in die
Ecke gestellt, sich aufs Sofa fallen lassen und war den ganzen Abend in einem
merkwürdigen Desinteresse versackt. Ein undefinierbares Gefühl sagte ihm, dass
sich die Welt unwiederbringlich zum Schlechteren verändern würde. Er musste
ununterbrochen an die letzten Tage in der Türkei denken. Der Konsul hatte nach
dem Anschlag jeden Tag die türkische Bildzeitung Hürriyet mitgebracht
und die Schlagzeilen übersetzt. Die Zeitungsbilder von den Trümmerresten des
World Trade Center, die wie filigrane Scherenschnitte aus dem Schutt ragten,
waren unfassbar gewesen.
     
    Heute Morgen hängt eine graue Wolkendecke über dem trostlosen
Industriegelände am Stadtrand von Tönning. Vor dem Lidl-Markt gleich gegenüber
kommt mittlerweile eine gewisse Hektik auf. Eine längere Schlange hat sich vor
den angeketteten Einkaufswagen gebildet. Der geschlossene Wandmaker treibt die
Kunden zur Konkurrenz hinüber, obwohl einige Hartgesottene weiterhin vor dem
Eingang ausharren. Zwei Schutzpolizisten geraten sichtbar genervt in ein
Rededuell mit einer robusten Bäuerin, die unbedingt ihr Recht auf Einkauf
durchsetzen will. Swensen beobachtet alles aus sicherer Entfernung und
schlendert über den riesigen Parkplatz auf den dunkelroten Ford Fiesta zu, der
gleich neben einem Grillstand steht. Es ist der Privatwagen von Peter Hollmann,
dem Leiter des Spurenteams. Swensen lehnt sich an den Kotflügel. Es riecht
penetrant nach altem Fett und gegrillten Hähnchen.
    Der
zweite Arbeitstag hat gerade erst angefangen und du machst auf phlegmatisch,
denkt er.
    Am
liebsten würde er einfach nur regungslos dastehen und ausharren. Er hat den
Eindruck, als würde er hinter einer milchigen Glasscheibe stehen und sich
selbst beobachten, wie er behutsam näher tritt. Die Sicht wird klar. Ihm
schwindelt. Sein Blick stürzt aus dem 107. Stock hinab in die Häuserschluchten
zu seinen Füßen. Der West Broadway gleicht einer Ameisenstraße, die Autos
winzigkleinen Insekten, die durch ein von Wolkenkratzern umsäumtes Gitternetz
krabbeln. Selbst die New Yorker Taxis sind nur noch als gelbe Tupfer
auszumachen. In Richtung Lower Manhattan kann er die Freiheitsstatue in der
Ferne entdecken. Seit dem 11. September tauchen die Bilder immer wieder vor
seinem inneren Auge auf.
    Eine
Woche New York, Annas Geschenk zum 50., war für ihn zu seiner Offenbarung
geworden. Noch nie zuvor hatte er sich in einer so manisch überdrehten Stadt
aufgehalten. Grand Central Station! Rockefeller-Center! Empire State Building!
Broadway! Orte, aus unzähligen Filmen schon lange bekannt, wurden mit großen
Kinderaugen wieder entdeckt. Vom ersten Moment an fühlte er sich hier zu Hause,
hatte schon immer hier gelebt. Hollywoods Hochglanz verblasste in dieser
Wirklichkeit. Der Big Apple war nicht nur marmorblank, sondern ziemlich
angebissen. Weiße Stretch-Limousinen versanken in den Schlaglöchern der Fifth
Avenue, weißer Wasserdampf zischte aus abgefahrenen Gullydeckeln, ausgebeulte
Plastiktüten türmten sich vor dem Royal Canadian Pancake House . New York
hatte ihn

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