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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Namensschild. Aus der Anordnung am Klingelbrett schließen sie, dass ihre
gesuchte Person in einem der oberen Stockwerke wohnt. Das Hochhaus in Kiel war
den beiden schon letzte Woche während ihrer Fahrt zur KDW aufgefallen. Mit dem
Fahrstuhl geht es bis ganz nach oben in den fünfzehnten Stock, dann von Tür zu
Tür wieder runter bis in den vierzehnten Stock. Dort finden sie den gesuchten
Namen handschriftlich auf einem Pappschild. Swensen drückt den Klingelknopf.
Die Tür geht auf. Ein kräftiger, großer Mann mit aufrechter Haltung guckt
erschrocken. Er hat kurz geschnittene, schwarze Haare, einen Dreitagebart und
eine fleischige, geschwungene Unterlippe.
    »Sind
Sie Razak Sabet?«
    »Ich
Aufenthaltsgenehmigung!«
    »Wir
sind nicht von der Ausländerpolizei. Herr Sabet, Ihr Name steht auf unserer
Liste. Sie haben mit Habib Hafside in dem Studentenwohnheim im Schwanenweg
zusammengewohnt?«
    »Lange
her das! Zwei Jahre!«
    »Sie
können sich an Habib aber noch erinnern?«, fragt Swensen und wundert sich über
das gebrochene Deutsch.
    Der
hat doch studiert, denkt er erstaunt und erinnert sich gleichzeitig an einen
Artikel in der Husumer Rundschau . Da stand, dass immer mehr Ausländer
sich in Deutschland ihre eigene Welt einrichten, nur in ihrer Heimatsprache
miteinander reden und die deutsche Sprache sogar wieder verlernen.
    »Ja,
wenig wissen von Habib!«
    »Gab
es je Ärger im Zusammenhang mit ihm?«
    »Nein,
kein Ärger!«
    »Merkwürdig!
Wir kommen gerade von Gibeon Kabir«, sagt Swensen ruhig. »Herr Kabir hat uns
etwas anderes erzählt.«
    »Was
erzählen Kabir da?«
    Obwohl
der Mann nach außen gelassen wirkt, bemerkt Swensen, wie sich seine Hände
verkrampfen.
    »Ramin
Behzad habe Habib gedroht, weil der nach dem Studium auf der Werft arbeiten
wollte, wo Kriegsschiffe gebaut werden.«
    »Nein,
wir nie Ärger haben!«
    »Denken
Sie bitte nach, Herr Sabet«, sagt Mielke mit Nachdruck. Die Stimme klingt
scharf. »Das ist sehr wichtig für uns!«
    »Kabir
dumm, nichts wissen! Habib wollte bei KDW arbeiten! Wir nie Ärger!«
    »Kabir
hat uns gesagt, dass Ramin Behzad sehr wütend auf Habib war«, sagt Swensen und
beobachtet jede Regung seines Gegenübers. »Dass die KDW U-Boote für Israel
baut, soll Ramin zu Habib gesagt haben, und dass Israel damit islamische Länder
angreifen wird, mit Atomraketen, weil sie die Bombe haben.«
    »Kabir
ist Lügner! Wir Muslime! Wir alle Freunde!«
    »Herr
Sabet, Sie kommen doch wie Herr Behzad aus dem Iran?«
    »Ja,
Ramin Iraner, wie Vahid und Hadi. Wir alle Iraner. Im Heim viele Studenten aus
dem Iran kommen.«
    Swensen
überfliegt die Liste: »Vahid Parvez, Hadi Abdi und Ramin Behzad sind nicht in
Kiel gemeldet. Wissen Sie, wo wir die drei finden können?«
    »Nein,
die nach Studium weg aus Kiel! Wollen Hamburg arbeiten, oder Berlin. Weiß
nicht, wo sind!«
     
    Ich sitze und atme. Das ist, was ist. Der Geist produziert nur eine
flimmernde Fläche aus vorgestern, gestern, morgen und übermorgen. Das ist eine
Illusion. Die Fata Morgana des Außen. Und ich? Ich falle darauf herein. Ich
hafte an, treibe im Gedankensturm über den Wüstensand und lasse mich hilflos
hin und her blasen. Und jetzt denke ich darüber nach, dass gerade wieder alles
schief läuft. Und denke, dass ich das denke. Jan Swensen, kannst du keine
dreißig Minuten nur vor dich hin atmen?!
    Ich
atme ein!
    Ich
atme aus!
    Einatmen.
    Ausatmen.
    üüüüüü
    fffffffff
    Mit
dem dreimaligen Anschlagen der Klangschale beendet Swensen die Sitzung. Er
verbeugt sich in Richtung des Holzschreins und bleibt einen Moment sitzen, um
den aufkommenden Unmut liebevoll beiseite zu schieben.
    Geht
es der Welt wirklich besser, wenn unsere Arbeit Erfolg hat, fragt er sich.
Doch, davon bin ich überzeugt. Das Dumme ist nur, dass ich meine Arbeit im Kopf
mit nach Hause nehmen kann, dass ich sie immer parat habe. In diesem Beruf kann
man von einem Moment zum nächsten in dem laufenden Fall versacken, egal, wo man
sich gerade befindet, ob unter der Dusche oder im Restaurant. Und wenn es um
Mord geht, scheint jeder Fall unaufschiebbar. Im Moment ist nicht einmal klar,
ob wir einen oder zwei Fälle haben. Fakt sind zwei Tote, aber wir wissen
darüber bisher so gut wie gar nichts. Die Todesursachen der beiden sind so
grundverschieden, dass sie höchstwahrscheinlich nichts miteinander zu tun
haben. Aber auch jeder einzelne Fall hat kein eindeutiges Motiv. Der eine ist
Tunesier, der andere kommt wer weiß woher. Vielleicht ist er Türke,

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