Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
entstehen, um dann wortlos, mit
einer Handbewegung, um weitere Wortmeldungen zu bitten.
»Es
geht um Windanlagen! Tote Insekten, die in beträchtlicher Zahl an den
Rotorblättern von Windrädern kleben bleiben, können die Stromerzeugung einer
Anlage halbieren!«, startet Fred Krämer die Themenrunde.
»Halbieren?« Think Big setzt eine grüblerische Miene auf. »Wegen ein paar Insekten!?
Wie soll das zustande kommen?«
»Der
Grund ist noch unbekannt. Es könnte sein, dass die Rotorblätter durch die toten
Viecher eine raue Oberfläche bekommen, wodurch die Luftströmung abreißt. Das
Phänomen wurde erst vor kurzem auf kalifornischen Windfarmen festgestellt. Der
Leistungsverlust kann auf einfache Weise beseitigt werden, indem die
Rotorblätter regelmäßig gereinigt werden.«
»Kein
schlechtes Thema! Aus unserer Stadt kommt ein Großteil aller Windkraftanlagen.
Klemm dich dran, Fred! Ich wünsche eine Stellungnahme unserer hiesigen
Anlagenbauer! – Weitere Vorschläge!«
»Ich
hab mir überlegt, ob wir nicht an diesem Anthrax-Streich dranbleiben«, beginnt
Maria.
»Nichts
ist älter, als eine Nachricht von gestern!«, knurrt der Chefredakteur und
verzieht sein Gesicht.
»Mir
geht’s nicht um die Nachricht. Ich denke an einen rührenden
Hintergrundbericht.«
»Ich
höre!«
»Wie
wir wissen, waren es gerade Gymnasiasten, die diesen Blödsinn verzapft haben,
drei Jungen und ein Mädchen, eine Griechin mit knapp fünfzehn Jahren. Der
ältere Bruder hat sie mit in die Clique genommen. Nach meiner Recherche war es
alleine das Mädchen, das diese Anthrax-Kiste den Muslimen in die Schuhe
schieben wollte. Sie hat sich den Text auf dem Zettel ausgedacht, ihn sogar
persönlich drauf geschrieben.«
»Komm
zur Sache, Maria!«
»Mir
geht es darum, dass sie und der Bruder in Deutschland geborene Griechen sind.
Beide hassen Türken. Eine paradoxe Form von Ausländerfeindlichkeit, finde ich.
Man könnte mit einer Story das gängige Klischee, dass nur wir Deutschen etwas
gegen Türken haben, ad absurdum führen. Ich würde mir den Hintergrund der
Geschichte angucken wollen, möglichst in der Familie recherchieren, warum sich
bei den Kindern solch ein Hass entwickelt hat. So ’ne Art Homestory mit ein
wenig Herz und Schmerz.«
Maria
schaut ihren Chef erwartungsvoll an. Der dreht den Kopf zur Decke, streicht
über die kurzen Haarstoppel und schließt die Augen.
»Kein
schlechter Ansatz!«, sagt er schließlich. »Ein überlegenswerter Vorschlag!
Weißt du was Maria, mach die Sache! Aber als rührendes Familienporträt, mit
Vater, Mutter und dem ganzen Schnickschnack.«
*
»Wer nur meditiert, um seinen Geist zu entspannen, der könnte auch
einfach ordentlich ausschlafen.«
Swensen
kommt der Satz ins Gedächtnis, bevor er den Lotussitz einnimmt. Er findet es
hilfreich, sich hin und wieder auf eine Belehrung seines Meisters zu besinnen.
»Die
wahre Aufgabe«, hatte der ihm, gleich nach seiner Ankunft im Schweizer Tempel,
gesagt, »das wichtigste Ziel der Meditation ist es, sich seiner Unwissenheit zu
stellen, die Verblendungen zu beseitigen und die Leerheit zu erfahren.«
Trotz
der vielen Jahre auf dem Sitzkissen hat er das bis heute nur theoretisch
begriffen. Was würde er dafür geben, nur für einen Moment den Zustand der
Leerheit zu erfahren. Aber der Arbeitsalltag ist meistens stärker. Der Kopf ist
voll, besonders wenn die Ermittlungen sich so dramatisch zuspitzen wie gerade
jetzt.
Haben
die beiden Toten etwas miteinander zu tun, weil sie beide Ausländer sind? Was
haben die Befragungen gestern in Kiel für die Aufklärung der Fälle gebracht?
Swensen
atmet tief durch, schlägt mit dem Holzklöppel die Klangschale an und schließt
mit dem schwingenden Ton die Augen. Wie immer versucht er, sich ein Gefühl von
Raum zu geben. Er richtet alle Konzentration auf sein Atmen. Einatmen,
ausatmen. Das Leben ist ein Luftstrom an der Nasenwand. Verwundert stellt er
fest, wie seine Gedanken plötzlich in einer Schicht unterhalb dieses Stroms
dahinbrabbeln. Sie kommen und gehen, fließen vorbei, ohne dass sein Verstand einem
Bestimmten nachfolgt. Das ist es, denkt er und merkt im selben Moment, dass er
denkt. Mist, schon wieder habe ich mich ausgetrickst. Sofort breitet sich
wieder eine ganze Palette neuer Gedanken aus. Bilder kommen dazu.
Mielke
und er stehen vor einer automatischen Glasschiebetür. Rechts und links daneben
zwei Klingelbretter mit jeweils sechzig Namen. Nach geraumer Zeit findet Mielke
das
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