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Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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ungeduldig und kramte eine mit Fusseln verklebte Magentablette aus seiner Hosentasche.
    »Also, laß uns das Meisterwerk anschauen.«
    »Ich betrachte es als Werk in Entstehung.«
    Er schälte die blickdichte Schutzfolie ab und enthüllte die Bleistiftzeichnung, die den Bewohnern der Twin Cities von ihren obersten gewählten und ernannten Beamten versprochen worden war. Der Verdächtige trug eine dunkle, aufgeplusterte Jacke – was seine Statur kaschierte – über einem Kapuzensweatshirt, Kapuze hochgezogen, womit die Farbe seiner Haare verdeckt war. Eine Pilotenbrille versteckte die Form seiner Augen. Die Nase war unscheinbar, das Gesicht von mittlerer Breite. Teile des Mundes bedeckte ein Schnurrbart.
    Kovács Magen fing an zu revoltieren. »Das ist der Scheiß Unabomber«, schrie er und stürzte sich auf Oscar.
    »Was zum Teufel soll ich denn damit anfangen?«
    »Also, Sam, ich hab dir gesagt, es ist noch in Arbeit«, sagte Oscar mit dieser langsamen, leisen Stimme.
    »Er trägt eine Sonnenbrille! Es war Scheiß Mitternacht und sie läßt ihn eine Sonnenbrille tragen!« tobte Sam.
    »Verfluchte Scheiße! Das könnte jeder sein. Das könnte keiner sein. Das könnte ich sein!«
    »Ich hoffe, noch ein bißchen mehr mit Angie zu arbeiten«, sagte der Künstler, ungerührt von Sams Jähzorn.
    »Sie glaubt nicht, daß sie die Einzelheiten in ihrem Gedächtnis hat, aber ich glaube, sie hat sie. Sie muß nur ihre Angst loslassen, dann kommt die Klarheit. Mit der Zeit.«
    »Ich habe mit der Zeit nicht, Oscar! Ich hab um fünf Uhr eine gottverdammte Pressekonferenz!«
    Er prustete laut und drehte einen Kreis auf der kleinen, beengten, vollgeräumten Arbeitsfläche des Künstlers und sah sich um, als ob er etwas zum Werfen suchte. Herrgott, er klang schon wie Sabin, der Beweise nach Bedarf erwartete. Er hatte sich den ganzen Tag lang gesagt, er dürfe sich nicht auf dieses verlogene, diebische kleine Miststück verlassen, das er Zeugin nannte. Aber unter all dem Zynismus hatte er auf ein ›Genau-auf-den-Punkt, Jetzt-hab-ich-dich-am-Schwanz-Phantombild‹ gehofft.
    Achtzehn Jahre in diesem Job und der Optimist in ihm lebte immer noch. Erstaunlich.
    »Ich arbeite an der Version ohne den Schnurrbart«, sagte Oscar. »Sie war sich, glaube ich, nicht sicher, was den Schnurrbart angeht.«
    »Wie kann sie wegen eines Schnurrbarts unsicher sein!
    Entweder er hatte einen oder er hatte keinen! Scheiße!
    Scheiße! Scheiße!«
    »Ich werde es heute einfach nicht weitergeben«, sagte er, hauptsächlich zu sich selbst. »Wir halten es zurück, holen das Mädchen morgen wieder rein und versuchen, ein paar bessere Details zu kriegen.«
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie Oscar seinen Kopf etwas hängen ließ. Er sah aus, als würde er sich in seinen Bart zurückziehen. Sam hörte auf, im Zimmer herumzu-laufen und sah ihm direkt in die Augen.
    »Das könnten wir doch tun, nicht wahr, Oscar?«
    »Es wird mir eine Freude sein, morgen wieder mit Angie zu arbeiten. Nichts würde mich mehr befriedigen, als ihren Erinnerungsstau zu lösen. Sich der Erinnerung zu stellen, ist der erste Schritt zur Neutralisierung ihrer negativen Macht. Was das andere angeht, das mußt du mit Chief Greer klären. Er war vor einer Stunde hier, um sich eine Kopie zu holen.«

    »Sie hat sein Gesicht zwei Minuten lang im Licht einer brennenden Leiche gesehen, Sam«, sagte Kate und führte ihn in ihr Büro, obwohl sie sich nicht sicher war, daß der kleine Raum für ihn ausreichte. Wütend war Kovác eine kaum kontrollierbare Energiesäule, die ständig in Bewegung bleiben mußte.
    »Sie hat in hellem Licht direkt in das Gesicht eines Mörders gesehen. Komm schon, Red. Würdest du nicht glauben, daß die Details sozusagen in ihrer Erinnerung eingebrannt sind?«
    Kate lehnte sich gegen ihren Schreibtisch, verschränkte die Beine, bedacht, ihre Zehen außerhalb Kovács Reichweite zu halten. »Ich glaube, ihr Erinnerungsvermögen könnte sich durch Anwendung von etwas Barem dramatisch verbessern«, sagte sie sarkastisch.
    »Was?!«
    »Sie hat Wind von Bondurants Belohnung gekriegt und will einen Brocken abhaben. Kannst du es ihr verdenken, Sam? Die Kleine hat nichts. Sie hat niemanden. Sie hat auf der Straße gelebt, Gott weiß was getan, um zu überleben.«
    »Hast du ihr erklärt, daß die Belohnungen bei Verurteilung ausbezahlt werden? Wir können niemanden verurteilen, den wir nicht erwischt haben? Wir können niemanden erwischen, wenn wir keine Ahnung haben, wie er

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