Feuermohn
lächelte versonnen. „Aaron ist froh darüber, äußerst froh. Immer, wenn ich fort bin, vermisst er mich wahnsinnig. Selbst, wenn es sich nur um ein paar Tage handelt.“ Kassandra begann eine Orange zu teilen und schob sich ein Stück in den Mund.
Kleine Stiche der Eifersucht durchbohrten Annas Herz. Sie beneidete Kassandra um ihre Unabhängigkeit und um die Stellung, die sie bei Aaron einnahm. Ihr Aufenthalt hingegen war begrenzt – nicht nur aus beruflicher Sicht.
Sie zuckte leicht zusammen, als sie Kassandras Hand spürte, die leicht über ihre Wange strich. „Du siehst mit einem Mal so traurig aus. Bedrückt dich etwas?“
Anna schüttelte den Kopf, versuchte ein Lächeln, was ihr gründlich misslang.
„Ich möchte, dass es dir gut geht.“
„Danke, mir geht es gut.“ Anna atmete hörbar aus. Fügte etwas leiser hinzu: „Ich darf nur nicht daran denken, dass diese Zeit hier einmal zu Ende sein wird.“
„Quälende Gedanken, ich weiß. Darum meine Warnung, dich nicht zu verlieben. Schütze dein Herz! Ich habe schon viele Frauen mit gebrochenem Herzen davonfahren sehen.“
Für einen kurzen Moment fühlte Anna sich entlarvt, in die Ecke gedrängt, irgendwie bedroht. Betont gleichgültig erwiderte sie: „Warum sagst du mir das?“
„Weil ich dich mag. Es ist ein großer Unterschied, sündige Stunden mit Aaron zu verbringen oder aber neben ihm einzuschlafen und aufzuwachen, so wie ich es tue.
Er ist nur so lange an anderen Frauen interessiert, wie sie ihm Lust bereiten. Keinen einzigen Tag länger. Vergiss das nie. Und das meine ich nicht gehässig, sondern wirklich gut.“
Anna wusste um diese Wahrheit. Wurde in diesem Augenblick frontal damit konfrontiert. Und schon waren sie wieder da, diese Gedanken, mit denen sie sich gar nicht beschäftigen wollte, weil sie sowieso nichts an der Tatsache änderten, dass sie um jeden Preis bleiben wollte. Froh um jeden Tag, den Aaron ihr schenkte.
Aber dennoch hat Kassandra recht. Ich darf das niemals vergessen.
Mit pochendem Herzen dachte sie über ihren übergroßen Wunsch nach, Aaron für sich zu gewinnen. Ihm nahe zu kommen, weit über ihre erotischen Spielchen hinaus. Sie wünschte sich, das Tor zu seiner Seele, zu seinem Herzen aufzustoßen – und lief große Gefahr, sich in ihn zu verlieben.
Kassandra lächelte, entblößte dabei ihre makellosen Zähne. „Genieß die Momente mit Aaron, verliere dich aber nicht darin.“ Ein weiteres Lächeln, ein Blick auf die Uhr, dann sprang sie auf. „Ich sehe gerade, ich muss los. Aaron wartet schon. Wir sehen uns, ja?“
*** Anna beschloss, die restlichen Abendstunden im Garten zu verbringen, um der bleiernen Müdigkeit zu trotzen, die sie in der letzten Zeit nach dem Dinner immer wieder schlagartig überfiel. Sie konnte sich nicht erklären, wieso sie sich immer häufiger so schlapp und antriebslos fühlte. Mit einer Taschenlampe und einem dicken Buch bewaffnet machte sie sich auf den Weg zur Treppe.
Partygeräusche wie Lachen, Stimmen und Musik drangen aus dem Ballsaal zu ihr. Unten angekommen warf sie einen kurzen Blick in den Saal. Spieltische waren aufgebaut. Ein Grüppchen Frauen stand in der Mitte des Raumes, sie füllten ihre kelchartigen Gläser am Champagnerbrunnen, der vor sich hin plätscherte.
Eine Frau, von Kopf bis Fuß in goldglitzernde Garderobe gehüllt, wirbelte an ihr vorbei, murmelte etwas, das sie nicht verstand. Die anwesenden Männer trugen allesamt schwarze Smokings, die Frauen edle Roben.
Anna befeuchtete ihre trockenen Lippen und huschte schnell weiter. Als sie den Garten erreicht hatte, atmete sie tief durch. Im Westen konnte sie die letzten verblassenden Streifen des Sonnenuntergangs sehen. Der Himmel war sternenklar. Die sehnsuchtsvolle Melodie eines Glockenspiels drang an ihr Ohr. Sie blickte sich um und bemerkte ein offenes Fenster. Angenehme Abendluft und das Zirpen der Grillen beruhigten ihre aufgepeitschten Sinne. Das Bad im Sternenmeer tat Anna gut.
Sie schlug den Weg zum Teich ein. Pfade wanden und schlängelten sich. Die rasch einkehrende Dämmerung ließ alles noch verwinkelter erscheinen. Das grüne Blattwerk raschelte, Efeugewächse schienen ihr etwas zuzuflüstern. Im Unterholz knackte es. Und dann fand sie sich endlich am Teich wieder, der ruhig und behäbig vor ihr lag, während die Mondsichel sich in ihm spiegelte. Es war schon fast mystisch geheimnisvoll. In den letzten Tagen hatte sie viel Zeit an dieser Stelle verbracht, den Kopf in interessante Bücher
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