Feuernacht
bestätigt, dass das weder bei ihnen noch beim Kreisgericht bekanntgegeben wurde. Jakobs Mutter als sein Vormund weiß auch nichts davon.«
»Na, das klingt ja wundervoll.« Bragi reckte sich nach Dóras Tasse und warf einen Blick hinein. »Ich dachte, du hättest Kaffee herbeigezaubert.«
Dóra schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Ich hole gleich welchen, ich muss sowieso auf dem Nachhauseweg noch was einkaufen.« Sie wollte aufstehen. »Außerdem könntest du mir einen Gefallen tun.«
»Selbstverständlich.« Bragi breitete die Arme aus. »Was kann ich für dich tun?«
»Es könnte sein, dass du den Staatsanwalt kennst, der damals den Prozess gegen Jósteinn geführt hat, er müsste in deinem Alter sein.« Sie nannte ihm den Namen, und Bragi sagte, er würde den Mann ganz gut kennen. »Könntest du ihn anrufen und kurz mit ihm reden?«
»Sollte kein Problem sein, was willst du wissen?«
»Aus den Unterlagen geht nicht hervor, wie die Polizei an die Fotos gekommen ist, auf die sich Jósteinns Urteil größtenteils stützt. Wenn ich es richtig verstanden habe, hat die Polizei einen anonymen Brief mit Fotos bekommen, während Jósteinn in Untersuchungshaft war. Bei der vorherigen Wohnungsdurchsuchung wurde nichts gefunden. Vielleicht haben die Polizei oder der Staatsanwalt einen Verdacht, wer die Fotos geschickt hat, das wurde nämlich beim Prozess und im Urteil nicht näher erläutert. Jósteinn ist ein totaler Einzelgänger, es ist also unwahrscheinlich, dass er einen Komplizen hatte oder die Fotos einem Freund anvertraut hat.«
»Und was meinst du, wer die Fotos geschickt hat?«
»Keine Ahnung, aber ich finde es komisch, wie wenig sich Jósteinns Anwalt mit diesem Aspekt des Falls beschäftigt hat, er hätte zumindest Zweifel daran äußern müssen, dass die Fotos tatsächlich Jósteinn gehören. Er ist auf keinem von ihnen zu sehen, nur seine Fingerabdrücke. Bitte versteh mich nicht falsch, ich will seine Schuld nicht anzweifeln, ich überlege nur, ob dieser Fehler in der Verteidigung der Grund dafür ist, dass Jósteinn so schlecht auf seinen ehemaligen Verteidiger und jetzigen Betreuer zu sprechen ist.« Dóra erhob sich. »Das ist nicht so superwichtig, aber ich wüsste einfach gerne, was der Mann für Beweggründe hat.«
»Kein Problem, mal sehen, ob ich was rauskriege.« Bragi nahm das Telefonbuch aus seiner Schreibtischschublade, die so vollgestopft war, dass er Schwierigkeiten hatte, sie herauszuziehen.
»Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass man Telefonnummern auch im Internet nachschauen kann?«, fragte Dóra aus der Türöffnung. Bragi schüttelte nur den Kopf und schlug das dicke Buch auf.
Der Bericht war vier Seiten lang, und obwohl Dóra noch einiges hätte hinzufügen können, lohnte es sich nicht, zu sehr ins Detail zu gehen. Das würde nur das Interesse von den wichtigsten Punkten ablenken: dass der Verteidiger seine Verwandtschaft mit einem der Opfer unterschlagen hatte und dass im Heim Sexualverbrechen begangen worden waren, für deren Vertuschung der Täter allen Grund hatte. Wichtig war auch, dass sehr viele Personen im Heim ein und aus gegangen waren, einige in fragwürdigem Zustand und oft mitten in der Nacht, zur selben Zeit, als der Brand gelegt worden war. Diese Punkte hätten seinerzeit bei den Ermittlungen berücksichtigt werden müssen und wahrscheinlich dazu geführt, dass der Richter zu einem anderen Urteil gekommen wäre. Das Einzige, was fehlte, um den Antrag vorzulegen, war der Name des Vergewaltigers.
Dóra überlegte, ob sie bei der Polizei anrufen und nachfragen sollte. Das dürfte eigentlich kein Problem sein, nachdem sie ihnen schon eine Beschreibung des Mannes mitsamt einem Foto auf dem Silbertablett kredenzt hatte. Der gestrige Besuch bei Ragna war sehr gut verlaufen. Nachdem Dóra ihr erklärt hatte, worum es ging, hatte sie sich zu ihr auf die Bettkante gesetzt und die Fotos auf der Facebook-Seite durchgeklickt, während Matthias Ragnas Reaktionen beobachtete. Bei vielen Gesichtern signalisierte sie ein Nein, bis ein Bild von Margeir, Friðleifur und einem jungen Mann auf dem Bildschirm auftauchte, der, wie die meisten Gäste, total betrunken war. Ragna blinzelte immer wieder, so dass Matthias nicht wusste, ob sie ja oder nein meinte. Dann schloss sie die Augen, und Dóra fragte dreimal sanft, ob das der Täter sei. Am Ende schlug Ragna die Augen auf, starrte auf den Bildschirm und zwinkerte einmal.
Ja.
Dann hielt sie die Augen geschlossen, bis
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