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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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geschwängert hat. Offenbar war jemandem daran gelegen, die Sache zu vertuschen.«
    Die Frau erblasste. »Was meinst du?« Glódís wusste ganz genau, was gemeint war.
    »Dir muss doch klar gewesen sein, dass die junge Frau ein Kind erwartet hat? Ich will nur wissen, wer der Vater war und ob die Zeugung mit ihrem Einverständnis stattgefunden hat.«
    Nach kurzem Schweigen ergriff Glódís das Wort. »Ich weiß nicht, wer es war.« Anstatt sich damit rauszureden, sie hätte nichts davon gewusst, schien sie sich an die Wahrheit halten zu wollen. Das war klug, denn sie wussten beide, dass Dóra das Büro nicht ohne Erkenntnisse verlassen würde. Sie würde so lange wiederkommen, bis sie mit jemandem sprechen konnte, der ihr Antworten gab, und es war wesentlich besser für Glódís, wenn sie selbst diejenige war und nicht ihr Chef. »Das war ein zusätzlicher Schock für mich, ich habe meinen eigenen Ohren kaum getraut, als ich über das Ergebnis der Obduktion unterrichtet wurde. Ich hätte schwören können, dass das nur ein Missverständnis war.«
    »Und dann?«, fragte Dóra. »Habt ihr keine interne Untersuchung durchgeführt? Ihre Eltern müssen das doch gefordert haben.«
    »Die waren total verzweifelt und kaum imstande, hart genug vorzugehen, aber sie wollten natürlich genau wissen, was passiert war. Wir haben alles getan, was in unserer Macht stand, um die Sache aufzuklären, aber ohne Erfolg. Keiner der Mitarbeiter hat etwas mitbekommen, und es ist sehr schwer vorstellbar, dass man so was nicht bemerkt. Tagsüber haben mindestens drei Leute gearbeitet, und die Zimmer standen immer offen. Zusätzlich zu den Festangestellten waren stundenweise Krankengymnasten und Therapeuten im Haus. Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte.«
    »Ist Lísa mal nach Hause oder woandershin gefahren? Ins Krankenhaus oder zu Besuch zu Freunden oder Verwandten? Es gab ja noch einen Bewohner, der in der Brandnacht nicht im Heim war, das muss also schon mal vorgekommen sein.«
    »Nein, wie stellst du dir das vor? Sie lag im Wachkoma, es gab keinen Grund, sie durch die Gegend zu fahren, außer in absoluten Ausnahmefällen. Sie wurde künstlich ernährt und brauchte Sauerstoff. Normale Häuser sind mit so was ja gar nicht ausgestattet. Sie war allerdings zweimal im Krankenhaus, aber beide Male passen nicht zum Zeitpunkt der Zeugung. Sie war im vierten Monat, als sie starb, wir haben das alles ganz genau überprüft.« Glódís massierte ihre Schläfe. »Eigentlich sollte Lísa gar nicht bei uns im Heim wohnen, aber wir wurden gebeten, uns um sie zu kümmern, während man nach einer anderen Lösung gesucht hat. Die Station, auf der sie viele Jahre gelegen hat, wurde geschlossen, und wir hatten noch einen Platz frei, so dass uns diese Lösung gut gepasst hat. Eigentlich sollte sie bald umziehen, aber dazu ist es ja nicht mehr gekommen.«
    »Was darauf hindeuten könnte, dass der Täter eingreifen wollte, bevor sie umgezogen wäre.«
    »Wir haben, wie gesagt, keine Ahnung, wer es gewesen sein könnte, das sind alles nur Theorien. Das Heim war ein Ort, an dem viele Menschen gearbeitet haben, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das passieren konnte.«
    »Tagsüber war also immer viel los, aber was ist mit den Nächten? In der Brandnacht war nur eine Nachtwache da, und das war ja vielleicht nicht das einzige Mal. Der Nachtwächter muss doch unter Verdacht gestanden haben.«
    »Nachts waren immer zwei Leute da, mit zwei Ausnahmen, in der Brandnacht und einmal in der ersten Woche nach der Eröffnung. Dieser Zeitpunkt passt aber auch nicht zum Zeugungstermin, es ist ausgeschlossen, dass die Nachtwachen etwas damit zu tun haben. Wir hatten insgesamt vier Mitarbeiter in zwei unterschiedlichen Schichten, die haben jede zweite Woche gearbeitet. Es ist schwer, sich an diesen Rhythmus zu gewöhnen, und natürlich werden solche Jobs von ziemlich ungewöhnlichen Menschen ausgeübt, aber das sind keine Verbrecher.«
    »Woher willst du das so genau wissen? Weil sie es gesagt haben?«
    »Nein«, sagte Glódís wichtigtuerisch. »Die Rechtsmedizin hat darauf bestanden, dass ihr Erbgut mit dem des Embryos verglichen wird. Das Ergebnis war eindeutig und hat alle vier Nachtwachen von dem Verdacht befreit. Auch den Verstorbenen.« Sie kniff die Augen zusammen. »Ich würde alles dafür geben zu erfahren, wie das passiert ist und wer der Täter war. Ich war außer mir, dass so was in einem Heim unter meiner Verantwortung passieren

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