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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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den Fall gelesen hatte, spürte sie, dass sie unsicher war. Vielleicht konnte sie bei diesem Gespräch etwas lernen und gebräuchliche Begriffe aufschnappen. Sie musste sich darauf einstellen, mit den Angehörigen der Verstorbenen zu reden, falls die sie überhaupt treffen wollten. Dazu waren sie nicht verpflichtet, und die Tatsache, dass Dóras Mandant der Mann war, der angeblich für den Tod ihrer Kinder verantwortlich war, machte die Sache nicht gerade leichter. Dóra durfte die Leute auf keinen Fall mit unpassenden Ausdrücken vor den Kopf stoßen.
    Sie kletterte aus dem schiefen Auto, das halb auf einer Schneewehe thronte, und ging hinein. Eine junge Frau – das absolute Gegenteil von Bella – begrüßte sie freundlich und bat sie, einen Moment zu warten. Dann teilte sie ihr mit einem bezaubernden Lächeln mit, Glódís würde sie jetzt empfangen, lotste sie durch das Gebäude, und kurz darauf saß Dóra auf einem Stuhl in dem schlichten Büro der ehemaligen Heimleiterin.
    »Bei mir ist ein Termin ausgefallen, wir stehen also nicht ganz so sehr unter Zeitdruck.« Glódís nahm ein paar ausgefüllte Anträge vom Schreibtisch, während sie sprach, und steckte sie in eine Mappe. »Die Leute, die ich erwartet habe, haben gerade abgesagt. Das kommt bei solchem Wetter sehr oft vor und bedeutet natürlich, dass ich totalen Stress kriege, wenn es wieder besser wird.« Die Frau war ungefähr im selben Alter wie Dóra, wirkte aber wesentlich abgearbeiteter. Ihr blond gefärbtes Haar mit dem dunklen Haaransatz war nicht sehr vorteilhaft für ihr aufgedunsenes, zu stark geschminktes Gesicht. »Wie kann ich dir denn helfen? Du hast gesagt, du arbeitest für Jakob. Ich weiß nicht, was ich da machen kann, ich habe ihn ja nur sehr kurz gekannt.«
    »Ich wurde gebeten, mir den Fall noch mal ganz genau anzuschauen, da gewisse Zweifel bestehen, ob Jakob wirklich der Täter ist. Ich sammle Informationen für eine mögliche Wiederaufnahme des Falls vor Gericht.«
    Der Gesichtsausdruck der Frau verhärtete sich, und es fiel ihr schwer, höflich zu bleiben. »Was meinst du damit? Was für Zweifel?«
    Dóra erzählte ihr nichts über den Ursprung des Auftrags. Sie wusste, dass das Gespräch sofort beendet war, wenn sie den Namen eines Kinderschänders erwähnte, und formulierte ihr Anliegen so vage wie möglich. »Nachdem ich die Zeugenaussagen und andere Punkte des Urteils durchgegangen bin, habe ich den Eindruck, dass der Fall nachlässig behandelt wurde. Vielleicht wurde auch nicht genug Rücksicht auf Jakobs Behinderung genommen. Seine Aussagen sind sehr unterschiedlich, und womöglich war ihm die Wichtigkeit der Sache nicht bewusst.«
    »Sämtliche Vorschriften wurden bis ins letzte Detail befolgt.« Glódís presste ihre dünnen Lippen zusammen. »Die Polizei hat uns um Hilfe gebeten, und wir haben ihnen einen Therapeuten vermittelt, der bei den Verhören anwesend war. Ich wüsste nicht, was man da hätte besser machen sollen.«
    »Trotzdem habe ich gewisse Zweifel. Gut möglich, dass sich am Ende herausstellt, dass die Schlussfolgerungen vollkommen richtig waren, aber ich untersuche erst mal alles, was darauf hindeutet, dass berechtigte Bedenken an Jakobs Schuld bestehen.«
    »Ich wüsste nicht, wozu das gut sein soll.« Die Frau machte kein Geheimnis daraus, dass sie verärgert war. »Jakob hat den Brand gelegt und damit die Bewohner in den Tod geschickt. Da er die geistige Reife eines Kindes hat, kann man ihm keinen bösen Willen unterstellen, aber er hätte es trotzdem besser wissen müssen. Behinderte sind von den Normen der Gesellschaft nicht befreit und wollen es auch gar nicht sein. Sie wollen ihr Leben unter denselben Bedingungen leben wie wir, im Einklang mit Gesetz und Ordnung.«
    »Was meinst du denn, warum er es getan hat? War er vorher schon mal aggressiv oder sonst irgendwie gefährlich?«
    »Er war vielleicht nicht direkt aggressiv, aber wütend, verängstigt und gegen jede Veränderung. Die meisten anderen Bewohner waren sehr glücklich mit ihrer Situation, nur Jakob war total ablehnend.«
    »Seine Mutter hat mir erzählt, dass er auf keinen Fall ins Heim ziehen wollte. War das der Grund für seine Unzufriedenheit?«
    »Ja, er war unglücklich über den Umzug, aber am Ende hätte er seine Meinung wahrscheinlich geändert und wäre genauso zufrieden gewesen wie die anderen. Er hätte gemerkt, wie gut es ihm ohne die schützende Hand seiner Mutter gegangen wäre.«
    »Gab es nicht genug andere Personen, die in

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