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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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Grunde hat er den Jungen gezwungen, ihm in die Augen zu schauen. Dabei hat Tryggvi immer geschrien, weil ihm das furchtbar schwerfiel, und der Mann hat zurückgeschrien. Es war ziemlich unangenehm, das mit anhören zu müssen.«
    »Was für ein Therapeut war das denn? War er im Heim angestellt?«
    Das Gesicht der Frau verhärtete sich. »Nein, Tryggvis Eltern, vor allem seine Mutter, wollten eine umstrittene Therapie ausprobieren und haben diesen Mann engagiert, Ægir Rannversson. Ich habe nie rausgekriegt, was für eine Ausbildung er hat. Er war gerade aus dem Ausland zurückgekehrt, wo er irgendwas über Autismus gelernt hat, aber auf keinen Fall bei einem anerkannten Ausbildungsinstitut.«
    »Und hatte er damit Erfolg?«
    Linda schwieg sehr lange und sagte dann: »Ja, hatte er. Ob das von Dauer gewesen wäre, kann ich nicht sagen, aber er hat den Jungen dazu gebracht, sich mehr mitzuteilen, als wir alle für möglich gehalten hätten, wobei Tryggvi nicht angefangen hat, zu sprechen oder so. Er hat sich zunehmend mit schier unglaublichen Zeichnungen ausgedrückt, die konnte ich zwar nicht richtig interpretieren, aber die Hauptveränderung bestand darin, dass er seine Umgebung besser wahrgenommen hat. Er war sehr stark autistisch veranlagt und konnte unzählige Dinge des täglichen Lebens nicht bewältigen. Er konnte zum Beispiel das Geräusch einer Toilettenspülung und Telefonklingeln nicht ertragen und war fasziniert von Lichterketten und Kerzen, die hat er stundenlang angestarrt. Diese Unsicherheit hat sich erheblich gebessert, und keiner weiß, wie sich Tryggvi entwickelt hätte, wenn diese Therapie weitergeführt worden wäre. Es kann aber genauso gut sein, dass es mit der Zeit Rückschläge gegeben hätte, das ist wohl öfter vorgekommen. Tryggvis Mutter hat mir selbst erzählt, dass er es am Anfang nicht aushalten konnte, mit einem eingeschalteten Fernseher in einem Raum zu sein, und das hat sich dann ohne besonderen Grund auch auf Radios ausgedehnt. Aber natürlich weiß keiner, was passiert wäre. Vielleicht hätte diese ungewöhnliche Therapie seine Selbständigkeit gefördert, aber Tryggvis Eltern haben sie beendet, ich glaube nach Beschwerden der Bewohner und Angehörigen wegen des Lärms. Sie wollten die Therapie auch nicht woanders fortsetzen, weil es unmöglich war, den Jungen in ein Auto zu kriegen. Zum Glück sind die Fortschritte, die er gemacht hatte, geblieben.«
    Dóra war ziemlich perplex. Weder Tryggvis Vater noch seine Mutter hatten diese Therapie mit einem Wort erwähnt und immer nur durchblicken lassen, dass Tryggvi keine Fortschritte gemacht hätte. Das war ziemlich merkwürdig, da ihnen der Junge und seine Entwicklung doch so wichtig waren. Noch merkwürdiger war es, dass sie Rücksicht auf die Proteste genommen hatten. Hätte man die Therapie nicht etwas leiser fortsetzen können?
    »Er hat sich also immer mehr geöffnet. Hat er auch mal sein Zimmer verlassen? Hätte er vielleicht nachts im Heim herumgehen können?«, fragte Dóra.
    »Sicher.«

21 . KAPITEL
    SAMSTAG ,
16 .  JANUAR 2010
    Entgegen aller Erwartung war das Wetter phantastisch. Trotzdem war Dóra froh, einen langen Anorak anzuhaben, der einigermaßen vor den kalten Plastikstühlen auf der Tribüne schützte. Sóley rannte mit ihrer Mannschaft über den großen Kunstrasenplatz, ohne erkennbare Spieltaktik und ohne überhaupt den Ball zu verfolgen. Das Übungsspiel war sehr kurzfristig angekündigt worden, wahrscheinlich weil der Trainer glaubte, das kalte Wetter käme seiner Mannschaft zugute, so dass sie weniger hoch verlieren würden als sonst oder sogar ein Unentschieden erreichen könnten. Das war aber ziemlich optimistisch, denn es bestand keine Gefahr, dass die Gegnerinnen im Schneesturm den Ball aus den Augen verloren oder die Tore verwechselten.
    »Dreh dich um, Sóley! Andere Richtung!« Matthias formte mit seinen Händen einen Trichter und brüllte aus vollem Hals. Sóley blieb stehen, drehte sich zu ihnen und winkte lächelnd, während eine Gruppe Mädchen mit dem Ball an ihr vorbeirannte. »Das wird sie schon noch lernen«, sagte Matthias zu Dóra, klang aber wenig überzeugt.
    »Ist es nicht schlecht für den Platz, wenn man ihn im Winter bespielt?« Dóra hatte noch weniger Ahnung von Fußball als Sóley.
    »Die sind doch so leicht, das macht dem nichts.« Zudem mussten die Mädchen auch noch mit dem Ausblick auf das glitzernde Meer und die Berge von Reykjanes konkurrieren. »Weiter, Sóley! Weiter!« Wieder

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