Feuernacht
nur durcheinandergebracht, es mit dir zu besprechen. Das hat nichts mit dir zu tun, eher mit mir. Mir fallen solche Sachen immer schwer. Ich fühle mich am besten, wenn ich eine klare Antwort habe, ja oder nein, und mir darüber nicht weiter den Kopf zerbrechen muss.«
Dóra nickte langsam. »Verstehe.« Sie ärgerte sich, dass sie so verletzt klang – immerhin hatte er ihr keine Affäre gebeichtet oder ihr ganzes Geld an einem Spielautomaten oder mit isländischen Aktien verschleudert. »Und welche Entscheidung hast du getroffen, wenn ich fragen darf?«
»Keine, ich denke noch nach.« Sóley und ihre Mannschaft rannten immer noch über den Platz, und es schien ihnen völlig egal zu sein, dass der Torstand ihrer Gegner eher an ein Handballspiel erinnerte. Sie freuten sich maßlos, wenn es ihnen zufällig gelang, den Ball auch nur in Richtung des gegnerischen Tors zu schießen. Jetzt rollte er langsam in den Strafraum, und die andere Mannschaft beobachtete diese unerwartete Entwicklung mit Entsetzen, bis ihr Torwart angerannt kam und den Ball aufhob. Die wenigen Zuschauer auf der Tribüne applaudierten, als hätte es sich um ein Tor per Fallrückzieher gehandelt. Matthias klatschte begeistert mit und sagte dann: »Wahrscheinlich nehme ich den Job an, obwohl ich überhaupt keine Lust habe, wieder für die zu arbeiten.«
»Klingt vernünftig«, sagte Dóra lächelnd. Sie konnten ein zweites Gehalt gut gebrauchen. »Du kannst dich dann ja auch immer noch woanders bewerben, das ist ja kein Job auf Lebenszeit.«
»Nein, nicht wirklich.« Er versuchte, etwas fröhlicher zu wirken. »Natürlich spricht alles dafür, außerdem fällt es mir wirklich schwer, so untätig zu sein.«
»Und das wird auch nicht besser, wenn dir meine Eltern auf der Pelle hängen. Aber es ist natürlich ganz allein deine Entscheidung. Wenn du dir das nicht vorstellen kannst, dann ist es eben so. Wir sind ja noch nicht pleite.«
Matthias grinste sie an. »Braucht ihr in der Kanzlei keinen Assistenten?« Sie grinste zurück. »Schaff mir Bella vom Hals, dann kannst du sofort am Empfang arbeiten.«
Das Spiel endete wie üblich mit einer totalen Niederlage, und die Siegerinnen schämten sich fast so, als hätten sie gegen viel jüngere Mädchen gespielt. Sóley und ihre Mannschaftskameradinnen ließen sich ihre Niederlage jedoch nicht anmerken und verließen erhobenen Hauptes das Spielfeld – der einzig wahre Sportsgeist.
Jakob war nicht mit Handschellen ans Bett gekettet oder sonst wie angebunden. Es gab auch keine Wachposten. Das Krankenzimmer war allerdings abgeschlossen, damit er nicht fliehen konnte, was in Anbetracht seiner Verletzungen ziemlich unwahrscheinlich war. Die Krankenschwester, die Dóra das Zimmer aufschloss, hatte kurz telefoniert, um eine Erlaubnis zu bekommen, sie reinzulassen, was kein Problem zu sein schien. Da Dóra den Hintergrund des Angriffs nicht kannte, hatte sie Matthias zur Sicherheit mitgenommen. Es war durchaus denkbar, dass Jakob den Übergriff provoziert hatte, und sie wusste, dass sie wie Sóleys Fußballmannschaft den Kürzeren ziehen würde, wenn er auf die Idee käme, sich mit ihr zu prügeln.
Jakob lag im Bett, die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Sein rechtes Auge war mit einem dicken, weißen Verband zugeklebt, und er hatte versucht, seine Brille darüberzuschieben. Das große, klobige Brillengestell hing schief, da er mit seinem ebenfalls verletzten Arm nicht an sein Ohr kam. Jakobs Anblick war ziemlich komisch und wurde auch nicht besser, als er sich vom Fernseher wegdrehte, um zu sehen, wer gekommen war. Dabei verrutschte seine Brille noch mehr und saß schließlich fast senkrecht im Gesicht. Schnell versuchte er, sie mit seinen dicken Fingern wieder geradezurücken. »Hallo, Jakob.« Dóra reichte ihm die Süßigkeiten, die sie unterwegs gekauft hatte. »Wir haben dir was mitgebracht.« Sie zeigte auf Matthias. »Erinnerst du dich noch an Matthias?«
»Ja.« Jakob nahm die verlockende Dose ins Visier. »Darf ich eins haben?«
»Na klar.« Dóra ärgerte sich sofort über ihre Voreiligkeit, womöglich durfte er gar nichts zu sich nehmen. »Darfst du denn was essen? Oder hat dir das jemand verboten?«
»Nein, niemand.« Jakob schüttelte energisch den Kopf. »Ich hab Hunger. Ich konnte gestern Abend nicht zu Ende essen.« Es war überflüssig nachzufragen, wodurch sein Abendessen gestört worden war. »Ich hab eben Essen bekommen, aber ich brauche zwei Portionen, weil ich gestern Abend keine
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