Feuerprinz
Feuerbecken umgestoßen, doch dann beruhigte sie sich. Was immer das Auftauchen des Greifen auch bedeutete – sie musste es Elven sagen. Er war nun der Prinz von Engil, ihr Gefährte und der Beschützer der Stadt.
Nur ein dünnes Tuch um ihren Leib geschlungen, rannte Lin aus ihrem Schlaf- und Wohnraum. Eine Dienerin wartete vor der Tür auf Anweisungen für Botengänge. Als Lin sie fragte, wo Elven sei, wies sie zum Ende des Ganges. Obwohl sie es nicht wollte, spürte sie Unwillen. Dort hatten Degans Gemächer gelegen. Tojar hatte doch nicht Degans Gemächer Elven überlassen? Als sie den von Fackeln und Feuerbecken flankierten Gang bis zum Ende entlanglief, kannte sie die Antwort.
Aber natürlich hat er Elven Degans Gemächer überlassen … was hast du denn geglaubt, welche Räume er beziehen würde? Er ist der Prinz von Engil … alles, was Degan gehörte, gehört nun ihm … sogar du!
Lin schob den Diener vor Elvens Tür zur Seite und öffnete sie, ohne auf die Einwände des Jungen zu achten. »Elven hat noch einen Besucher.«
»Das ist nicht wichtig … ich muss mit ihm sprechen.« Dann stand sie auch schon in jenen Räumen, die sie eigentlich nie mehr hatte betreten wollen.
Kurz meinte sie, noch immer Degan riechen zu können.
Nein, das ist nicht wahr! Sieh hin … er ist fort … seit drei Jahresumläufen … und er wird nie mehr zurückkehren.
Elven und sein Besucher standen neben einem Feuerbecken, vertieft in ein leises Gespräch. Als Lin in Elvens Räume stürmte, wandten sich beide Männer zu ihr um – Elven, noch immer in die Beinkleider und das Hemd gekleidet, das sie für ihn gefertigt hatte, und der andere, mit einfacheren, jedoch sauberen Beinkleidern und einem neuen Hemd ausgestattet. Lin verschlug es die Sprache. Sie hätte Braam beinahe nicht erkannt. Woher hatte er die neuen Kleider? Sogar das Haar hatte er sich gewaschen und gestutzt. Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie nackt bis auf ihr dünnes Tuch war.
Braams Blick fühlte sich schmierig auf ihrer Haut an. Elven bemerkte ihre Verunsicherung, nahm eine Decke von seinem Lager und brachte sie ihr. Offensichtlich war er nicht wütend, nur überrascht, sie hier zu sehen. »Ich wollte gleich zu dir kommen.«
Lin schluckte, und es gelang ihr, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. »Was macht
er
hier?«
Elven legte einen Arm um ihre Schulter und führte sie hinaus auf den Gang. »Er hat noch einmal bei mir vorgesprochen wegen des Falbrinds, das sein Vater durch den Angriff des Schjacks in Engil verloren hat. Bisher hat Tojar es ihm nicht ersetzt, aber es sollte ihm ersetzt werden, findest du nicht? Wir müssen gerecht sein.«
Sie nickte, war jedoch nicht beruhigt. »Ja, aber ich will Braam nicht in unserer Nähe haben. Mein Vater hatte guten Grund, ihn des Palastes zu verweisen. Ich mag seine Blicke nicht … sie sind respektlos, und er ist ein machtgieriger Mensch. Halte ihn von unsfern, Elven. Bitte!« Lin sah ihm in die Augen und fühlte kurz darauf Elvens Lippen auf ihrem Mund. Sein überfallartiger Kuss erschreckte sie – der rohe Hunger, der von ihm ausging, und sein Begehren. In diesem Fall war er wie alle Männer – wie Braam und die vielen anderen, die sie hatten haben wollen. Nur Degan hatte sie nicht begehrt.
Lin löste sich von ihm. »Ich habe vor meinem Fenster einen Greif gesehen.«
Abrupt ließ Elven sie los und sah sie stirnrunzelnd an. »Bist du dir sicher?«
»Natürlich … sein Haar, seine Schwingen, der nackte Körper … ich weiß, wie sie aussehen … nur zu gut.« Lin konnte sehen, wie sich seine Glieder anspannten, wie er nachdachte und schließlich nickte. »Ich werde mich darum kümmern.« Seine Züge entspannten sich, als er sie ansah. »Aber nicht heute Nacht. Heute ist unsere erste gemeinsame Nacht … und ich werde dich in dieser Nacht nicht alleine lassen.«
Lin gönnte dem gemeinsamen Lager, das Elven bereits vor Sonnenaufgang verlassen hatte, keinen Blick mehr. Sie wich den neugierigen Fragen Vays aus, die einen Anflug von Neid über Lins erste Nacht mit Elven kaum verbergen konnte, und vertröstete Ilana, die im Garten mit ihr das morgendliche Mahl einnehmen wollte. Dann schlüpfte sie ohne Vays Hilfe in ihr Priestergewand. »Ich werde mich jetzt mit der zweiten Priesterin Salas beraten«, gab sie Vay knapp Anweisung, ihrer Mutter mitzuteilen, dann lief sie schon durch den Flur des Palastes, wählte einen Umweg durch jenen Teil des Gartens, in dem sie weder Ilana noch Tojar über den
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