Feuerprinz
Weg laufen konnte, und rannte den Hügel hinunter bis zu Salas Tempel. Bloß fort von den Fragen und forschenden Blicken Vays und ihrer Mutter!
Hier und da grüßte sie Engilianer, denen ein Grinsen auf den Lippen lag, da sie nichts anderes sahen als eine glückliche Braut, die in der letzten Nacht ihre Jungfernschaft verloren hatte. Lin ließ sie in dem Glauben. Die Menschen vergaßen so leicht! Aber sie hatte nicht vergessen. Der Greif vor ihrer Fensteröffnung war eine weitere Mahnung des dunklen Gottes gewesen, und sie musste mit Jevana sprechen. Wenigstens ihr konnte Lin sich anvertrauen.
Sie fand die zweite Priesterin in den Vorratsräumen des Tempels, wo sie die Geschenke Salas, von den Engilianern jeden Tag aufs Neue überbracht, in Regale ordnete. Stoffe, Werkzeug aus Rotmetall, manchmal auch Schmuck aus Greifensilber vom Palast oder Früchte von einfachen Bauern. Alles fand seinen Platz und seinen Nutzen im Tempel der Göttin.
Als Jevana sie bemerkte, hielt sie in ihrer Arbeit inne und sah Lin an, als hätte sie einen Verstoß gegen die Tempelregeln begangen. Lin war viel zu aufgeregt, um sich über Jevanas schlechte Laune zu wundern. »Gestern Abend habe ich einen Greif vor meiner Fensteröffnung gesehen!«
Jevana zuckte nur die Schultern, wandte sich ab und fuhr damit fort, Salas Geschenke in die Regale zu stapeln. »Hast du mit Tojar und Ilana gesprochen? Hast du ihnen von deinen Visionen erzählt und ihnen gesagt, dass der dunkle Gott dich verfolgt?«
Lin zuckte zusammen. Jevanas Stimme klang ungewohnt hart und mitleidlos. Eigentlich hatte sie versprochen, ihre Visionen nicht für sich zu behalten, doch dann einen anderen Weg gewählt, indem sie Elven zum Gefährten nahm. »Ich habe Elven von dem Greif erzählt«, verteidigte sie sich. »Er ist der Prinz von Engil und wird uns beschützen.«
Jevana ließ einen Tiegel mit grünem Farbpulver fallen und fuhr zu ihr herum. Kurz darauf wandte sie sich wieder ab, so als wollesie sich selbst verbieten zu sprechen. Schließlich konnte sie ihren Zorn nicht länger verbergen. »Bist du wirklich so blind, Lin? Ein Fremder ist nun der Prinz von Engil; ich verstehe nicht, warum du das zugelassen hast!«
Lin wich erschrocken über die harten Worte zurück und fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Jevana hatte sich zwar nicht besonders freundlich gegenüber Elven verhalten, aber auch nicht ablehnend. »Ich habe es für Engil getan … um uns alle zu beschützen. Elven ist ein Anführer.«
»Elven«, antwortete Jevana schneidend, »ist ein Fremder. Niemand weiß etwas Genaues über ihn. Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass alles erst mit Elvens Erscheinen begonnen hat – deine Visionen, der Schjack … und jetzt der Greif!«
Alles Blut wich aus ihrem Gesicht, und Lin begann sich zu schämen. »Warum hast du deine Bedenken gegenüber Elven nicht geäußert und mir abgeraten, ihn zum Gefährten zu nehmen?«
Jevana hob in einer Geste der Überforderung die Hände. »Lin, du bist die Prinzessin von Engil und Salas Hohepriesterin. Du hast niemanden nach seiner Meinung gefragt. Das ist dein Recht, aber somit auch deine alleinige Verantwortung.«
Darauf wusste Lin nichts zu erwidern. Es wäre richtig gewesen, die Meinung der anderen Priesterinnen zu hören, bevor sie sich Elven verband. Aber die Angst hatte sie nur diesen einen Weg sehen lassen. Ihre Stimme wurde dünn. »Willst du sagen, dass Elven ein Diener des dunklen Gottes ist?«
Jevana schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, Lin … aber hast du denn nie daran gedacht, dass es so sein könnte? Bist du nicht misstrauisch? Vielleicht ist der dunkle Gott gar nicht wegen dir hier, sondern wegen ihm.«
»Nein … daran habe ich nicht gedacht.« Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen, und fühlte sich dabei wie ein einfältigesFalbrind. Ohne Jevana noch einmal anzusehen, rannte sie aus dem Tempel, gefolgt von den verwirrten Blicken der jüngeren Priesterinnen, die dabei waren, Salas Statue mit dem vom Fest übriggebliebenen Gewürzwein zu waschen.
Lin rannte nicht zurück zum Palast, sondern schlug den Weg zu den Getreidespeichern ein, wo sie ungestört weinen konnte. Dort ließ sie sich hinter einem der Silos in den Sand fallen und schluchzte. Sie dachte an die letzte Nacht, hörte wieder das Knarren der Tür, Elvens Schritte und dann das Rascheln, als er seine Kleider ablegte und zu ihr unter das Laken schlüpfte.
Sein schlanker sehniger Körper an ihrem weichen – und wie immer
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