Feuerprinz
gemeinsam durch Engils Straßen gegangen waren.
Erst als er sie am Abend vor ihren Räumen verabschiedete, hatte Elven sein Schweigen gebrochen. Seine Stimme war ruhig und sein Blick ernst gewesen. »Lin … du darfst nicht denken, dass ich dich um Engils willen zur Gefährtin nehme. Vielmehr ist es so, dass ich Engil um deinetwillen als meine Bürde annehme.«
Sie hatte sich bei seinen Worten geschämt – Elven liebte sie, aber sie liebte ihn nicht. Dann hatte Elven sie das erste Mal geküsst. Sie hatte alles erwartet – Schwindel, Angst oder Unwillen. Doch das, was sie empfand, war viel schlimmer. Sie hatte rein gar nichts gefühlt – kein Begehren, keine Anziehung, kein Herzklopfen. Da war nur Taubheit in ihr … und ein Name, der einfach nicht ausihrem Herz verschwinden wollte.
Degan!
Sie hatte so sehr gehofft, ihn endlich aus ihren Gedanken verdrängen zu können, doch das Gegenteil war der Fall. Elvens Kuss, seine Hand, die sich auf ihren Rücken legte, ja sogar sein Lächeln bewirkte, dass sie noch mehr an Degan dachte als zuvor. Lin konnte nicht anders, als sich vorzustellen, es wären Degans Lippen, die sie küssten, seine Hand, die sie berührte …
Nun stand sie neben Elven in Salas Tempel, geschmückt mit Blumen, um sich ihm als Gefährtin zu verbinden. Kaum einen Mondumlauf hatten sie gewartet. Sie selbst hatte gedrängt. Engil brauchte einen Beschützer, der ein Heer ausheben und die Männer in den Krieg führen konnte, wenn es nötig wurde.
Lin senkte den Blick und lauschte Jevanas Worten. Dann trat sie zusammen mit Elven vor Salas Opferfeuer, wo die zweite Priesterin ihnen ein Mal aus Asche auf die Stirn zeichnete. Feierlich schloss sie die kurze Zeremonie. »Ihr seid nun einander vor Sala verbunden. Allein sie kann diese Verbindung trennen.«
Elven nahm ihre Hand und legte sie auf die Stelle seiner Brust, wo sein Herz schlug. Es war die Geste, mit der ein engilianischer Mann einer Frau zeigte, dass er sich ihr tief verbunden fühlte. Es war furchtbar! Lin sah in seine waldgrünen Augen und in sein glattes Gesicht und entschuldigte sich stumm für ihren Verrat an seiner Liebe. Sie würde es gut machen. Elven würde Engil um ihretwillen lieben … und sie würde einfach lernen, ihm für Engil eine gute Gefährtin zu sein. Niemals durfte er erfahren, dass ihr Herz für einen anderen schlug.
Vay löste Lins gestecktes Haar und zupfte winzige rosa Blüten aus ihren schwarzen Locken. Dann half sie ihr aus dem feinen Gewand, das Ilana ihr mit einem Lächeln am Morgen gebracht hatte. Lin fuhr vorsichtig mit den Fingern über das schillernde Gewebe.Es war ein fast durchsichtiges Tuch aus Laluhaar. Solche Gewänder, wie sie junge Mädchen und Frauen früher ganz selbstverständlich zu jedem Sonnenwendfest getragen hatten, waren sehr selten geworden, nachdem Xiria und ihr Greifenheer die Lalufrauen im Wiesenland ausgelöscht hatten. Dieses hier war eines der wenigen Tücher aus dem feingesponnenen Haar der Lalufrauen, die es noch gab. Nur die Lalufrau Nona lebte noch irgendwo …
Nona … Dawon … und Degan …
Lin schloss die Augen, weil der Schmerz des Verlustes sie ohne Vorwarnung traf. Sie musste endlich lernen zu vergessen. Verflucht sollte das Greifenweib sein, welches so viel Unglück über jene, die sie liebte, gebracht hatte!
»Das Bad ist bereit.« Vay holte sie mit einem Lächeln aus ihren düsteren Gedanken. Lin war ausnahmsweise einmal froh darüber. Vorsichtig löste Lin die Bänder ihres Gewandes. Das feine Gewebe glitt wie ein Hauch von ihrem Körper. Dann half Vay ihr in das mit Ölen und Blüten getränkte Badewasser der Rotmetallwanne. Vorsichtig begann sie, Lins Rücken und ihre Arme mit einem weichen Stofftuch zu waschen.
Eine Weile schwiegen sie beide, dann seufzte Vay vernehmlich. »Du hast einen gutaussehenden und starken Gefährten in Elven. Sicherlich wird er dich glücklich machen.« Lin musste lächeln. Ihre Dienerin war noch ein Mädchen und sehr unbedarft. Als Vay nach Engil kam, hatten die Menschen gerade begonnen zu vergessen, was ihnen Schreckliches widerfahren war. Die Engilianer besaßen den Fluch und die Gabe zugleich, schnell zu vergessen. Nur Lin gelang das nicht. Vielleicht war sie anders, unnormal, wie Degan es gewesen war.
Lin erhob sich aus dem Wasser. Sie wollte Vay nicht mit ihren Gedanken belasten. Eine Verbindung zwischen einem zukünftigen Herrscherpaar war etwas Bewundernswertes und Romantischesfür sie. Wie es die Art junger Mädchen war,
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