Feuerprinz
ein Rascheln, dann geflüsterte Flüche. Kurz darauf leuchtete eine grelle Flamme in der Dunkelheit auf. Zumindest hatte er hier oben Feuerkraut und Fackeln. Lin blinzelte, um ihre Augen an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen. Sie brachte keinen Ton heraus, als sie Degan endlich sah. Alles war wieder da
… ihr Schmerz über seine Abweisung … und seine Liebe zu IHR, die es niemals hätte geben dürfen. Xiria!
Fast wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Doch etwas anderes war noch schlimmer als ihre schmerzvolle Erinnerung. Sie hatte in Dungun von einem Menschen Abschied genommen, von dem jedoch nicht mehr viel übrig war. Degan hatte sich das Haar nach Greifenart lang wachsen lassen. Sein Gesicht und seine Haut waren schmutzig von Erde. Das Haar war verfilzt, weil er sich vermutlich selten wusch. Seine Augen waren so … wild! Sie wanderten unstet umher wie die der Greife; in seinen Blicken lag nichts von der Vertrautheit, die er einst für sie empfunden hatte. Vertrautheit, wenn schon keine Liebe! Lin wurde das Herz schwer. Es bestand kein Zweifel daran, dass Degan sich entschieden hatte, was er sein wollte – kein Mensch! Zudem war er vollkommen nackt, was ihn nicht zu stören schien, ihr jedoch die Schamesröte ins Gesicht trieb.
Als wäre allein ihr Anblick zu viel für ihn, wich Degan zwei Schritte zurück. »Nun?«
Lin nahm all ihren Mut zusammen und sah ihm in die Augen. »Ich brauche deine Hilfe. Engil braucht deine Hilfe. Deshalb hat der Greif mich zu dir gebracht.«
Degan gab einen zornigen Laut von sich, der wie das empörte Kreischen eines Vogels klang, und musterte Lin von oben bis unten. »Ich kann mir vorstellen, wer von ihnen es war.« Er rief zornig einen Namen. »Belamon!«
Die Antwort war ein Krächzen. Lin runzelte die Stirn. Klang es schuldbewusst? Doch wie sollte es! Degan drückte sich an ihr vorbei und stellte sich dann breitbeinig vor den Greif, der sie zu ihm gebracht hatte. Lin stolperte hinter ihm her, während Degan Belamon mit einem zischenden Laut bedachte, der den Greif zusammenzucken ließ. »War er es?«
Lin nickte stumm. Belamon legte sich flach auf den Stamm und bettete seinen Kopf auf die Vorderklauen, als wolle er Degan damit seine Unterlegenheit zeigen.
»Ich hätte es wissen müssen.«
Wieder antwortete der Greif mit einem Krächzen. Lin konnte es nicht mehr mitansehen. Sie ging an Degan vorbei und stellte sich schützend vor das verängstigte Tier. Es tat ihr leid, und sie fand es schrecklich, wie Degan ihm Angst machte. Fast kam er ihr wilder vor als dieser Greif. »Hör auf! Er wollte mir nur helfen.«
Degan lachte spöttisch– die erste menschliche Reaktion, seit sie miteinander sprachen. »Immer noch die gutgläubige Lin.« Er hielt ihr die Fackel unangenehm nah vor das Gesicht.
Meide das Feuer, ruf es nicht herbei …
Bestimmt schob Lin seinen Arm ein Stück weit von sich. Degan zuckte zurück, als ertrüge er es nicht, von ihr berührt zu werden. »Belamon …«, er sah auf den Greif hinunter, der sich noch platter zu machen schien, »… kann schönen Frauen nicht widerstehen. Vor allem nicht, wenn sie nackt sind und er sie aus einem See rettet!«
Lin brauchte einen Augenblick, um zu verstehen. Der See … Sie hatte das Tuch am Ufer zurückgelassen. Sie war die ganze Zeit nackt gewesen, als sie mit Belamon das erste Mal gesprochenhatte. Aber sie war ja auch davon ausgegangen, mit einem Tier zu sprechen, für das ihr Körper uninteressant war. Ihr Gesicht lief so rot an wie eine Ogabeere. »Das … Ich meine, er ist doch … ein Greif. Ich meine, ein richtiger Greif mit einem Greifenkörper.«
»Der bis vor kurzem noch einen menschlichen Körper besaß und sich mit Frauen paarte. Es ist sehr schwer, alte Gewohnheiten und Vorlieben aufzugeben.« Degans Gesicht bekam einen spöttischen Ausdruck. »Aber dir muss ich das ja nicht erklären.«
Seine Anspielung auf ihre unglückliche Liebe kränkte Lin. Ihre Scham verwandelte sich in Wut. Verwahrlosung hin oder her – überheblich war er noch immer! Sie hatte sich ihm in keiner Art und Weise an den Hals geworfen. Aus diesem Grund war sie nicht gekommen.
»Du bist ungerecht!«, fuhr sie ihn an. »Vielleicht interessiert es dich wenigstens, dass unsere Eltern tot sind?«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie sind nicht meine Eltern. Nona und Dawon sind meine Eltern.«
Lin konnte sich nicht mehr beherrschen. »… die du ebenso wenig an dich heranlässt wie alle anderen. Nur dieses mordende
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