Feuerprinz
hinter den Thron zurück. Braams Herz hämmerte gegen seine Rippen.
Wir werden alle sterben … Er wird nicht einen von uns leben lassen.
Wie um seine Worte zu bestätigen, sprach Elven weiter. »Duhast mich enttäuscht. Ich habe dich aus deinem Schicksal als Falbrindbauer befreit, aber du hast versagt. Ich hatte dir aufgetragen, Lin zurückzuholen, und wieder versagst du! Also frage ich dich ein letztes Mal: Wo kann der dunkle Greif sie hingebracht haben?«
Braam spürte, dass er kurz davor war, sich vor Angst zu bepissen. Er brauchte eine Antwort, die ihm Aufschub gewährte. Fieberhaft überlegte er, dann gelang es ihm zu stottern: »Er könnte sie zu Degan gebracht haben … Der dunkle Greif ist sein Vater, und Lin war Degan versprochen …«
Elvens Augen füllten sich überraschend mit Tränen von Blut, die ihm die Wangen hinunterliefen. Es waren keine Tränen der Trauer, sondern der Wut. »Sie betrügt mich mit dem Halbgreif!«, rief er und hämmerte mit den Fäusten auf die Armlehnen seines Thrones.
Braam wich kriechend zur Wand zurück und betete, dass Elven ihn in seiner Raserei vergaß. Doch natürlich tat er das nicht. Als er sich beruhigt hatte, wies Elven mit anklagend ausgestrecktem Arm auf ihn und flüsterte gefährlich leise: »Du hast mir das verschwiegen. Die ganze Zeit!«
»Degan hatte noch nie Interesse an Lin. Er wollte nur sein Greifenweib«, versuchte Braam sich mit dünner Stimme zu verteidigen.
Elven machte eine abwehrende Handbewegung. »Geh jetzt! Du hattest deinen Aufstieg … Kehre nun zurück in den Dreck!«
Braam rappelte sich auf und rannte zur Tür. Nie hätte er geglaubt, dass er einmal froh darüber sein würde, aus dem Palast fortgejagt zu werden.
»Eines noch …«, rief Elven ihm hinterher. »Schick mir deinen Vater! Vielleicht vermag er ja das zu schaffen, was dem Sohn nicht gelingt, und mir meine Gefährtin zurückzubringen.«
Dawon breitete ein zusammengerolltes Blatt vor Lin aus, das so lang wie ihr Bein und so breit wie ihr gesamter Arm war. Es konnte nur von einem der Bellockbäume stammen. Darauf lagen Nüsse, Beeren und ein paar Wurzeln, die aussahen, als bräuchte sie den gesamten Tag, um sie weich zu kauen. Lin bemühte sich, ihre Enttäuschung über die karge Mahlzeit nicht zu zeigen, und nahm sich die Beeren. Sie waren immerhin süß und saftig.
Dawon hockte vor ihr und beobachtete sie, als wäre es ein Wunder, dass sie imstande war, ohne fremde Hilfe zu essen. Lin konnte es ihm nicht verübeln. Sie hatte gelernt, in einem Palast und einer befestigten Stadt zu leben, aber nicht in einem Wald, einer Oase oder sonst wo in der Wildnis. Wahrscheinlich hatte er mit Nona darüber gesprochen, was mit ihr geschehen solle, da sie nicht nach Engil zurückkehren konnte und sogar die Waldfrauen ihr nach dem Leben trachteten.
»Nona sagt, Lin soll sich Zeit nehmen, gesund zu werden. Dawon wird ihr jeden Tag Essen bringen.«
Lin verschluckte sich beinahe am letzten Bissen ihrer Beerenmahlzeit. Wie sollte sie mit ein paar Beeren, Nüssen und Wurzeln lange überleben? Dawon schien von solchen Sorgen jedoch weit entfernt. Er spreizte eine Schwinge und begann, sich ausgiebig das Gefieder zu säubern.
Mit einem Stein machte Lin sich daran, die Schalen der Nüsse aufzuschlagen. Das Schweigen zwischen ihnen wurde unangenehm. Nach einer Weile schob sie das Blatt zur Seite und sah verstohlen hinüber zu den Bellockbäumen. »Gestern habe ich einen der Greife gesehen, die Degan verwandelt hat.«
Dawon ließ von seiner Schwinge ab. »Er ist zu Lin gekommen?« Dawon schien ehrlich überrascht. Lin fühlte sich verpflichtet, ihm eine Erklärung zu geben. Allerdings hatte sie keine Lust, von ihrem nächtlichen Erlebnis im See zu erzählen, um nicht Gefahrzu laufen, dass er sie für noch hilfloser hielt, als er es ohnehin schon tat.
»Er kam von dort oben …«, sie wies hinauf in den Baum, »… und ich frage mich, was ihn dazu bewogen hat.«
Ihre Erklärung beruhigte Dawon keineswegs. »Lin darf Greifen nicht zu nahe kommen! Greife sind wild und verjagen sogar Dawon, wenn er versucht, zu Degan zu kommen.« Um seine Aufregung zu zeigen, schlug er ein paar Mal mit den Schwingen. Dann wies er auf eine längliche Narbe auf seiner Schulter. »Das haben Degans Greife getan.«
Lin spürte, das vielleicht jetzt die einzige Gelegenheit war, ihm Fragen zu stellen. »Und Degan? Warum lässt er das zu?«
Dawon schlug die Arme um die Knie und begann vor und zurück zu wippen, wie ein
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