Feuerprinz
Greifenweib hat dich interessiert!«
Funken des Zornes und der Wut loderten in Degans Augen auf. Lin hätte nicht sagen können, ob es der Schein der Fackel war, der sich in seinen Pupillen spiegelte, oder ob tatsächlich Flammen aus seinen Augen schlugen. Auch an seinem Jähzorn hatte sich offenbar nichts geändert. Mit geballter Faust machte er einen Schritt auf sie zu. »Wage es nicht, über
sie
zu sprechen!«
Lin wich zurück und fühlte im gleichen Augenblick etwas Felliges in ihrem Rücken. Belamon war aufgestanden und krächzte Degan warnend an.
»Du drohst mir?«, fragte Degan den Greif, als erwarte er tatsächlich eine verständliche Antwort. »Du verteidigst sie, aberich rate dir, nicht zu vergessen, wer du bist. Sonst kannst du nach Engil fliegen und schauen, ob die Menschen dich dort freundlich aufnehmen!«
»Hör endlich auf mit diesem Getue!«, fuhr Lin ihn an.
Degan schüttelte den Kopf, beruhigte sich aber etwas. »Sag das ihm! Er spricht seit zwei Tagen von nichts anderem als von dir und deinen Brüsten.«
Lin sah Belamon fragend an. Der Greif ließ reumütig den Kopf hängen. »Er … spricht?«
Degan wurde ungeduldig. »Was hast du denn gedacht? Dass nur sinnloses Gekrächze aus seinem Schnabel kommt?«
Lin schüttelte den Kopf, obwohl sie genau das geglaubt hatte. Hätte sie auch nur geahnt, in welche Richtung Belamons Gedanken gegangen waren, wäre sie sicherlich nicht auf seinen Rücken gestiegen. Trotzdem war es für sie nicht denkbar, dass Belamons Verliebtheit ernst gemeint war. »Gibt es denn keine … Greifenfrauen?«
Degan zuckte die Schultern. »Nein! Wer weiß, vielleicht gab es mal welche … bevor Sala sie verflucht hat. Aber seit vielen Jahrhunderten sind Greife männlich und kennen nur Menschenfrauen. Es gab nur einen weiblichen Greif …« Kurz flammte der tiefe Verlustschmerz in seinen Augen auf, dann fuhr Degan fort: »Das alles haben Sala und der Blutgott angerichtet!« Er schlug mit der Fackel gegen den Ast. Lin konnte seine Wut auf die Götter fast körperlich spüren.
Sie fragte sich, wie viel Degan von dem wusste, was in Engil vor sich ging – und ob er von ihr und Elven wusste. Doch ein tiefes Gefühl warnte sie, dass jetzt und hier nicht der richtige Zeitpunkt war, das herauszufinden. Stattdessen lenkte sie das Gespräch in eine andere, wie sie hoffte, unverfänglichere Richtung. »Könntest du dir etwas anziehen?«
Degan zog die Brauen hoch, ohne Anstalten zu machen, ihrem Wunsch nachzukommen. Schamgefühl schien ihm fremd zu sein. Das, so erinnerte sich Lin, war es allerdings auch schon in Engil gewesen, wo er mit jeder Frau geschlafen hatte, die ihm gefiel, bis Xiria in sein Leben getreten war.
Ja, mit jeder … nur nicht mit dir! Dumme, unglückselige Lin …
»Dies hier ist meine Welt«, entgegnete Degan missmutig. »Du bist hier nur Gast und keine Prinzessin oder Hohepriesterin. Also wirst du wohl oder übel mit dem Anblick meiner Nacktheit leben müssen.« Selbstgefällig verzog er die Mundwinkel. »Ich kann mich an Zeiten erinnern, als dieser Anblick dir sehr angenehm gewesen wäre.«
Lin öffnete den Mund zu einer Entgegnung, ohne jedoch einen einzigen Ton herauszubekommen. Degan ließ sie stehen und kletterte flink auf einen höher gelegenen Ast, von dem er annehmen konnte, dass sie ihn aus eigener Kraft nicht erreichte. »Such dir einen Schlafplatz!«, rief er ihr zu. »Morgen kann Belamon dich zurück in die Oase bringen.«
Sie sah ihm nach. Was war nur mit ihm geschehen? Früher war Degan überheblich gewesen, jetzt war er ein gefühlskaltes Ekel. Sie wandte sich zu Belamon um, der sie schuldbewusst ansah. Jetzt, da sie wusste, dass er sie sehr wohl verstand, sprach sie ihn an. »Wie hältst du es nur mit ihm aus?«
Belamons Krächzen klang schicksalsergeben. Lin schüttelte den Kopf, während sie sich schnell ein paar Tränen aus den Augen wischte. Ein tiefes Gefühl der Verzweiflung überkam sie. »Ach, Belamon. Wärest du doch er.«
Wieder krächzte der Greif, und dieses Mal klang es wehmütig.
Jevana presste die Faust zusammen, in der sie das Siegel des ersten Wachhabenden Taron hielt; den Pfand, der sie eine halbe Nachtmit dem dicklichen Mann gekostet hatte. Aber das war es wert gewesen – vorausgesetzt, ihr Plan gelang und sie konnte die Priesterinnen befreien. Ein Blick hinauf in den Himmel zeigte ihr, dass es noch dauern würde, bis der Morgen anbrach. Trotzdem musste sie schnell handeln.
Als sie den Tempelvorhof erreichte,
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