Feuerprinz
die Höhe wie eine Siegestrophäe. Sein Vater, der seine Stelle an Elvens Seite eingenommen hatte, schien nicht begeistert über den Versuch seines Sohnes, wieder in Elvens Gunst zu steigen. Er warf seinem Sohn einen drohenden Blick zu.
Elven hob die Hand, um Braam zu bedeuten, dass er schweigen sollte. »Priesterin«, sprach er, an Jevana gewandt, »ich weiß, dass Lin bei dem Halbgreifen ist, dem sie einmal versprochen war. Aber ich weiß nicht, wo sich die beiden verstecken.« Er beugte sich vor, so dass Jevana einen Schritt zurückwich und gegen Braam prallte, der hinter ihr stand. Elvens Stimme klang lockend. »Aber du weißt, wo sie sind.«
»Nein, das weiß ich nicht«, gab sie wahrheitsgemäß, aber störrisch zur Antwort.
Elven wies auf die Kette an ihrem Hals. »Du weißt es, weil du die Tränen Salas trägst. Die Tränen kennen die Antwort, und ich muss jetzt in deinen Kopf
sehen
.«
Er winkte sie zu sich heran. Jevana erschrak, als sie bemerkte, dass sie sich gegen ihren Willen in Bewegung setzte. Salas Tränen glühten auf ihrer Haut und leisteten Widerstand gegen seine Macht, doch sie vermochten sie nicht vor Elvens Willen zu schützen. Sie wurden schwächer … Ihre Macht schwand langsam, aber sicher.
Er ist der dunkle Gott!
Todesangst kroch in ihre Adern, während Jevana weiter auf ihn zuging. Zwei Schritte vor ihm blieb sie stehen. Der Leichengestank raubte ihr den Atem. Sie versuchte, wieder ein paar Schritte Abstand zwischen ihn und sich selbst zu bringen, doch er ließ es nicht zu.
Elven lachte. »Gefällt dir mein Geruch nicht, Priesterin? Mir gefällt er auch nicht! Würdest du lieber ein wenig Greifenduft in der Nase haben?«
Schnell schüttelte sie den Kopf.
Elvens trübe Augen wurden ernst. »Vielleicht würde dir der strahlende Anblick eines Gottes mehr zusagen, Priesterin.«
»Nein!« Ihre Stimme klang schrill. Auf keinen Fall wollte sie ihn in seiner wahren Gestalt sehen. Plötzlich hämmerte etwasschmerzhaft gegen ihre Stirn. Jevana fasste sich an den Kopf und schrie, weil es sich anfühlte, als würde ein glühender Dolch geradewegs durch ihren Schädel gestoßen werden. Sie ahnte, dass Elven sich durch ihren Schädelknochen in ihren Verstand zu bohren versuchte. …
wie einst Sasalor und Karok es mit den Menschen gemacht haben!
Sie versuchte dagegen anzukämpfen, konnte jedoch nicht verhindern, dass er von der Innenseite ihres Schädels in ihre Augen schlüpfte. Salas Tränen glühten immer heißer auf ihrer Haut.
Schließe die Augen, Priesterin!
, hallten Elvens Worte in ihrem Kopf. Jevana tat, was er sagte. Bisher hatten Salas Tränen sie beschützt, doch nun war sie ihm ebenso ausgeliefert wie alle anderen Engilianer. Salas Tränen wurden schwächer, während seine Macht erstarkte.
Bildfetzen leuchteten in ihrem Kopf auf, als sähe sie mit den Augen eines anderen: die Baumkronen des Isnalwaldes, dann die Waldgrenze und eine Oase, ein See mit fast schwarzem Wasser. Die Bilder folgten immer schneller aufeinander und für Jevana unzusammenhängend. Geisterhafte Fratzen, Luftblasen, die durch das Wasser an die Oberfläche stiegen, ein riesiger Vogelkopf und dann wieder nur Dunkelheit. Die regenbogenfarbenen Augen einer durchscheinenden Gestalt, das glatte Gesicht eines jungen Mannes mit langem dunklen Haar … Er war nackt! Ein Name, ein Gefühl, so stark und zerreißend, dass Jevana wusste, dass es nur Lin gehören konnte. Degan … und so viel Trauer und Liebe im Herzen …
Plötzlich zog Elven sich aus ihrem Kopf zurück und gab sie frei. Jevana schlug erschrocken mit den Armen um sich und riss die Augen auf.
Elven saß vornübergebeugt auf seinem Thronstuhl und hatte den zahnlosen Mund zu einem verzerrten Schrei geöffnet. Sie hieltdie Luft an, als seine schwarzblau verfärbte Zunge wie ein fetter Egel aus seiner Mundhöhle hervorschnellte. Etwas hatte Elven furchtbar aufgeregt, er wollte vom Thron aufspringen. Sala sei Dank gelang es ihm nicht. Sein verfaultes Fleisch klebte wie eine fette Made auf dem Holz. Schließlich stammelte er: »Ihre Liebe gehört noch immer dem Halbgreif!«
Es war eine Feststellung, doch die Kälte, mit der Elven sie aussprach, ließ Jevana ahnen, wie sehr ihn diese Erkenntnis traf. Sie hatte Lins starke Gefühle für Degan selbst gespürt, und sie hatte immer um diese Gefühle gewusst. Wovon sie aber nichts geahnt hatte, waren die Tiefe und Endgültigkeit von Lins Gefühlen für Degan.
Braam hatte die gesamte Zeit im Hintergrund gestanden,
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