Feuerprinz
sich Belamon und seiner verletzten Schwinge zu.
Lin beschloss, die Demütigung nicht auf sich sitzen zu lassen, und machte sich scheinbar heilkundig an Belamons Schwinge zu schaffen. Der Greif krächzte leidvoll. Sie bemühte sich um einen überlegenen Tonfall: »Ich soll mich nicht wie ein Kind benehmen! Und das sagt mir einer, der nackt herumläuft, in einem Baum lebt und stinkt wie ein Schjack!«
»Da sind wir dann schon zwei«, gab Degan unbeeindruckt zurück.
Lin stellte mit hochrotem Kopf fest, dass ihr hauchzartes Tuchkleid aus Laluhaar den Sturm nicht überstanden hatte und wie ein durchlöcherter Fetzen an ihr herunterhing. »Großartig!«, fuhr sie Degan an, als könne er etwas dafür. »Also zu den Waldfrauen. Vielleicht haben sie ja etwas zum Anziehen! Ich bin es nämlich im Gegensatz zu dir nicht gewohnt, nackt herumzulaufen. Außerdem ist es zu kalt dafür.«
Degan verdrehte die Augen, als hätte sie nach ihrer Dienerin und einem Fächer verlangt. Lin ignorierte ihn und trottete stumm neben Belamon her, der seinen Kopf fast ebenso traurig hängen ließ wie seine Schwinge.
Der Sand hatte eine dicke Ascheschicht in der Luft zurückgelassen, so dass es nicht richtig hell werden wollte, was auf ihre und Belamons Stimmung drückte. Lin kraulte ihn hin und wieder am Kopf, während sie durch den verwüsteten Wald liefen. Immer wieder sah sie verstohlen zu Degan hinüber und wünschte sich, dass wenigstens ihr Haar so lang gewesen wäre wie seines. Dann hätte sie damit ihre Brüste bedecken können.
»Können wir vielleicht etwas langsamer gehen?«, wagte sie am Nachmittag zu fragen und erhielt keine Antwort von Degan. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als Schritt zu halten. Degan schenkte ihr den gesamten Weg über nicht einen einzigen Blick und schwieg störrisch. Sie war einerseits froh darüber, andererseits versetzte ihr seine Ablehnung einmal mehr einen Stich ins Herz.
Lin wusste nicht, wie lange sie gelaufen waren; ihre Füße waren voller Blasen, und ihr ganzer Körper war von Insekten zerstochen. Doch irgendwann blieb Degan stehen. Lin wäre fast auf seinen Rücken geprallt. Sie humpelte mehr, als dass sie noch lief, und hatte ihren Verstand ausgeschaltet.
Wenige Schritte vor ihnen endete die Schneise der Verwüstung, die der Sturm in den Wald von Isnal geschlagen hatte. Lin erkannte unversehrte Bäume mit grünem Laub und sogar ein paar Sonnenstrahlen, die auf den Boden fielen. Erleichtert atmete sie auf. Sie hatten den verwüsteten Teil des Waldes hinter sich gelassen. Bald würde es ein Feuer, eine warme Mahlzeit und Decken geben … ein Bad … Seifenkraut … Salbe für die Blasen auf ihren Füßen … einen Kamm! Lin schwelgte in Vorfreude.
Degan jedoch zerstörte ihre Träume. »Heute werden wir die Waldfrauen nicht mehr finden. Am besten schlafen wir hier.«
Lin glaubte, sich verhört zu haben. »Wo … hier?«
Er wies auf den Boden. Lin folgte seinem Fingerzeig und sah sich suchend um. Hier gab es nur Laub und erdigen Waldboden. »Aber hier ist doch nichts.«
Belamon war weniger zimperlich und rollte sich auf der Stelle dort zusammen, wo er gestanden hatte. Er war erschöpft. Lin konnte ihm ansehen, dass seine Schwinge schmerzte. Seinen Kopf legte er auf seine Vorderklauen und war fast augenblicklich eingeschlafen. Degan nickte ihr zu. »Wir werden uns einfach von Belamon wärmen lassen.«
Sie spürte Entsetzen und Panik in sich aufsteigen. Das würde sie nicht ertragen, Degan so nahe zu sein und doch keine Nähe mit ihm teilen zu können. Schnell suchte sie nach einer Ausrede. »Wir können nicht einfach auf dem Boden schlafen. Die Schjacks durchstreifen den Wald. Ganz davon abgesehen, dass sie Beute machen wollen, sieht Elven alles, was sie sehen. Und wenn er uns hier findet … «
Degan gähnte ausgiebig zum Zeichen, dass er keine Lust hatte, mit ihr zu diskutieren, und machte es sich dann an Belamons Bauchfell bequem. Ihre Einwände perlten von ihm ab wie Wasser, und Belamon wachte noch nicht einmal davon auf. Degan streckte sich voller Wohlbehagen. »Belamon kommt mit der gebrochenen Schwinge auf keinen Baum. Du kannst dich also entscheiden. Entweder du verbringst allein eine sehr kalte Nacht, oder wir wärmen uns gegenseitig, auch wenn ich stinke wie ein Schjack.«
Bei Salas Tränen – was sollte sie jetzt tun? Ungelenk quetschte sich Lin schließlich in Belamons Bauchfell und musste sich eingestehen, dass die Wärme ihr guttat.
Degan rückte näher an sie heran und
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