Feuerprinz
Weinerlichkeit und Jähzorn schwankte.
Braam trat so nahe an den Thron heran, wie es ihm möglich war, ohne vor Ekel kotzen zu müssen. »Ja, Elven …«
»Schick die Greife aus! Meine Königin ist mit dem Halbgreif zusammen. Sie sollen mir seinen Kopf bringen; aber Lin soll davon nichts wissen. Sie muss nach Engil gebracht werden, und es ist wichtig, dass sie freiwillig zurückkehrt.« Er lehnte sich im Thronstuhl zurück, und seine milchigen Augen starrten ins Leere. »Drohe ihr mit dem Tod der Priesterinnen, und wenn sie sich weiterhin weigert zurückzukehren, lass dir irgendetwas einfallen.« Er winkte ihm, dass er gehen sollte.
Braam fing den missgünstigen Blick seines Vaters auf und kalte Blicke aus blauen Augenpaaren, die ihm zu sagen schienen:
Wir
beobachten dich … nur ein Fehler … nur ein einziges Versagen
. Er musste sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass dieses verwesende Stück Fleisch auf dem Thron von Engil ein Gott war. Mit einer angedeuteten Verbeugung machte Braam, dass er aus dem Thronsaal kam.
Im Garten des Palastes atmete er tief durch und erfreute sich an dem Duft der reifen Ogabeeren und vielen Blüten. Niemals hätte er gedacht, dass etwas schlimmer riechen konnte als Falbrindscheiße – wie sehr er sich doch geirrt hatte. Der gesamte Palast stank schrecklicher als hundert Falbrinder. Lin würde sofort den Verstand verlieren, wenn man sie zu ihrem einstmals so ansehnlichen Gefährten brachte. Ob sie wusste, wer ihr Gefährte war?
Braam dachte an die zweite Priesterin. Jevana hatte von Elven wissen wollen, warum Lin einem Gott so viel bedeuten konnte; wenn er länger darüber nachdachte, fand er die Frage durchaus gerechtfertigt. Wusste Jevana etwas, was er nicht wusste?
Braam machte sich auf in den Tempelbezirk, wo er den neuen Anführer der Greife wusste, den mit der Silberpeitsche – Suragon.
Als er die Baustelle erreichte, ließ er das Bild kurz auf sich wirken. Der Tempel war fast vollendet. Sogar der Opferkreis war von Moos und Verwitterung befreit worden – ein eindeutiges Zeichen, dass es bald wieder Blutopfer in Engil geben würde. Er schüttelte sich bei dem Gedanken daran, doch redete sich gleichzeitig gut zu.
Lieber mit den Schjacks laufen, als von ihnen gefressen zu werden!
Als der Anführer der Greife ihn sah, ließ er seine gefürchtete Peitsche mit den Silberketten einmal klirrend über die Steine fahren, und die arbeitenden Männer zogen ihre Köpfe ein. Das Geräusch der Silberketten war unverkennbar und hatte dem neuen Greifenführer einen gewissen Ruhm in Engil eingebracht. Man fürchtete ihn, weil die Silberketten seiner Peitsche mit Schjackzähnen besetzt waren und schon zwei Männer das Leben gekostet hatten.
Braam musste zugeben, dass Suragon eine beeindruckende Erscheinung war. Äußerlich unterschied ihn nichts von anderen seiner Art: Er war groß, mit einem geschmeidig muskulösen Körper, langen weißen Silberhaaren und dem typischen Schmuck eines Anführers: Stirnreif, Oberarmspangen und Beinschienen. Es waren jedoch Kleinigkeiten, mit denen Suragon sich von seinen Artgenossen absetzte. Diesen Greif trieb etwas anderes an als das Gemeinschaftsdenken seiner Sippe. Nicht, dass er grausamer gewesen wäre. Es war etwas, über das sich Braam Gedanken machte, seit Elven ihn zum neuen Anführer der Greife berufen hatte. Als er die Peitsche mit den Silberketten betrachtete, wurde ihm endlich klar, was Suragon von anderen seiner Art unterschied – eine höhere Gewaltbereitschaft.
Suragon wartete darauf, dass Braam ihn ansprach. Schnell verwarf Braam seine Grübeleien. Er wollte nicht, dass Suragon ihn durchschaute. »Elven schickt mich«, sagte er stattdessen.
»Lin versteckt sich mit dem Halbgreif Degan im Isnalwald. Ihr sollt sie finden, zurückbringen und Degan töten. Elven will seinen Kopf. Aber Lin darf von seinem Tod nichts wissen.«
Suragon rollte seine Peitsche auf und steckte sie in seinen Schurz. »Der Halbgreif ist gefährlich. Suragon und seine Sippe kennen ihn. Er verwandelt Greife in Tiere!«
»Sag das Elven!«, blaffte Braam ungeduldig, fügte jedoch hinzu: »Elven hat nichts von tierähnlichen Greifenkreaturen erwähnt. Der Halbgreif und die Königin von Engil sind allein.«
Noch immer reagierte Suragon nicht – noch eine Seltsamkeit, die ihn von den anderen unterschied. Er war zu eigenen Gedankengängen fähig. Während Greife in der Regel akzeptierten, was ihnen aufgetragen wurde, schien Suragon zu eigennützigen Entscheidungen
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