Feuerprobe der Liebe - 1 Teil der Miniserie The great London fire - Historical Bd 217
Sie bückte sich, um ein Stück Papier aufzuheben, das seltsamerweise nicht im Geringsten verbrannt schien, und schob auch das in ihren Beutel.
Ihr Refugium auf dem Dach war nach dem Ansturm des Feuers fast nicht mehr wieder zu erkennen. Über allem lag Asche, deren Gewicht die vertrauten Pflanzen in fremde, seltsame Formen zwang, so dass sie in dem flackernden Fackelschein so unwirklich wie Geister schienen. Desirée beugte sich nieder, um die Asche vom Blatt einer ihrer Lieblingspflanzen zu wischen. Eine Wolke aus feinem Staub wehte ihr ins Gesicht, und sie zuckte zurück, um nichts davon einzuatmen. Sie konnte die Zerstörung nicht nur riechen und sehen, sondern jetzt sogar schmecken.
Den Garten wiederherzustellen würde eine große Aufgabe sein. Nur war sie nicht zu dieser späten Stunde – es war beinahe Mitternacht – aufs Dach gegangen, um den Garten instand zu setzen, sondern weil dies der Ort war, an den sie immer kam, wenn sie ihren Seelenfrieden suchte.
Ein paar Schritte von ihr entfernt saß Jakob auf einer Steinbank. Um ihrer Sicherheit willen hatte er darauf bestanden, sie zu begleiten. Desirée hatte nicht widersprochen. Obwohl der Garten weiterhin ihr Heim war, ging sie inzwischen nicht mehr davon aus, dass die hohe Brüstung sie vor Eindringlingen beschützte.
Nachdem sie Benjamin alles erklärt und eine Notiz für ihren Haushalt geschrieben hatte, in der sie Kilverdales Anwesenheit autorisierte, war sie nach Godwin House zurückgekehrt. Benjamin, Jakob und einige von Lord Halross’ Dienstboten begleiteten sie. Nach Kingston zu gehen, um Arscott zu stellen, hatte keinen Sinn, weil er dort nicht war. Dagegen rechnete Desirée beinahe damit, ihn in dem Haus in London zu finden. Bis zu ihrem Eintreffen hier war sie immer mehr aufgewühlter geworden, so sehr fürchtete sie eine schreckliche Begegnung mit Arscott. Doch es fand sich keine Spur von dem Verwalter. Seit der Flucht vor dem Brand war er nicht zurückgekehrt.
Ihre erste Reaktion auf Arscotts Abwesenheit war Erleichterung, denn sie fürchtete den Augenblick, in dem sie ihn zur Rede stellen musste. Aber gleichzeitig war sie auch aufgeregt und verängstigt. Wo war er? Wann würde man ihn finden? Die Unsicherheit ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Sie neigte dazu, Jakobs Beschuldigungen zu glauben, aber sie wollte selbst mit Arscott reden, wollte seine Verteidigung oder sein Geständnis hören. Und dann – sie seufzte so tief, dass eine kleine Wolke von Asche aufflog – würde sie einige schmerzliche Entscheidungen treffen müssen.
Abrupt zwang Desirée ihre wirren Gedanken wieder zu ihrer unmittelbaren Umgebung zurück. Als sie sich umsah, fiel ihr Blick auf Jakob, der lässig auf der Bank saß. Seine dunkle Kleidung schien mit der Dunkelheit zu verschmelzen. Den hellen Umriss seines Kopfes konnte sie erkennen, nicht jedoch seine Miene. Obwohl er weder etwas sagte noch sich bewegte, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, war sie sich indes bei allem, was sie tat und dachte, seiner Gegenwart bewusst.
Er hatte keinen Versuch unternommen, ihr auszureden, auf das Dach zu gehen. Und er hatte sie auch dort nicht angesprochen. Er saß nur ganz ruhig da und ließ sie von einer halbherzig ausgeführten Handlung zur nächsten schreiten. Seine Geduld war gleichzeitig tröstlich und beunruhigend. Sie fragte sich, was wohl in ihm vorgehen mochte. Hatte er noch einmal daran gedacht, wie sie sich letzte Nacht geküsst hatten? Oder war er im Geiste nur damit beschäftigt, wie er Arscott der Gerechtigkeit zuführen könnte?
Sie ließ den halb vollen Beutel mit Unrat stehen und trat an die Brüstung, um einen Blick auf London zu werfen. Mit verschränkten Armen versuchte sie, sich das Ausmaß der Zerstörung vorzustellen, das sie bisher noch nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Noch vor einigen Tagen hatte sie sich dagegen vorgestellt, wie die Menschen in den betriebsamen Straßen umhereilten. Die meisten dieser Straßen gab es nun nicht mehr. Tränen traten ihr in die Augen. Sie hob die Hand und merkte, dass sie schwere Lederhandschuhe trug. Ungeduldig zog sie sie aus und legte sie auf die Mauer. Trotz der Handschuhe waren ihre Hände von Staub und Ruß bedeckt. Desirée presste die Fingerknöchel gegen die Augen und unterdrückte ein Schluchzen, das Jakob ihre Gefühle verraten würde.
„Mylady?“, fragte er leise gleich hinter ihr.
Überrascht hielt sie den Atem an. Ihr war nicht aufgefallen, dass er nicht mehr auf der Bank saß. „Ihr bewegt Euch
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