Feuerregen (Billy Bob Holland) (German Edition)
ich sie musterte, blickte an sich hinab, als ob sie sich bekleckert hätte. »Was ist denn?«, fragte sie.
»Gar nichts.«
»Was glotzt du mich so an?«
»Tu ich nicht. Du siehst großartig aus, Temple.«
Sie schaute mir in die Augen, blinzelte unsicher.
Zwei Tage später rief sie mich an.
»Ich habe von einem Reporter vom Houston Chronicle , der über Immobiliengeschäfte und Stadtplanung berichtet, einen Tipp bekommen. Costen und mehrere Kompagnons betreiben zwei Firmen, die Slumwohnungen im dritten Bezirk verwalten. Aber während der Ölrezession in den achtziger Jahren wurden eine Menge Grundstücke an der West Side an das Ministerium für Wohnungsbau und Stadtentwicklung verkauft. Costen und seine Freunde haben für billiges Geld zugegriffen, ihren Slumbesitz aufgestockt und in einer einstmals gutbürgerlichen bis gehobenen Wohngegend Pornovideoläden eröffnet.«
»Was hast du über Costen in Zusammenhang mit Kinderpornografie rausgefunden?«
»Nichts. Aber wo es Pornovideos gibt, gibt’s auch die Kundschaft für alles andere. Soll ich weiter danach Ausschau halten?«
»Nein, komm wieder rauf ins gottgefällige Land«, sagte ich.
»Ich bin aus reiner Neugier raus zur Rice University gefahren und habe mit einem Geschichtsprofessor über Costens Vorfahren gesprochen. Der Professor gehört einer historischen Gesellschaft an, die sämtlichen Dokumenten aus der texanischen Revolution und den Nachkommen all jener nachspürt, die seinerzeit mitgekämpft haben. Costens Vorfahren waren echte Pioniere, Freunde von Sam Houston, Jim Bowie und Stephen F. Austin.«
Ich musste gähnen. »Gute Arbeit«, sagte ich. »Komm wieder heim.«
»Lass mich ausreden. Ich hab den Professor um eine Auskunft über Skyler Doolittle gebeten. Doolittle hat die Wahrheit gesagt. Einer seiner Vorfahren ist mit Travis, Crockett und den anderen beim Alamo gefallen. Die Hinterbliebenen erhielten nach dem Krieg ein Stück Land, so wie es Sam Houston jedem versprochen hatte, der ihm bis zum Ende diente.«
»Ich komme nicht ganz mit, Temple.«
»Kannst du dich noch dran erinnern, wie du mir von dem Essen draußen bei den Deitrichs berichtet hast, als Earl Deitrich Wilbur Pickett bei Tisch blamiert und ihm die Uhr aus der Hand genommen hat, als ob Wilbur nicht das Recht hätte, sie anzuschauen?«
»Ja.«
»Du hast gesagt, Wilbur hätte einen Witz darüber erzählt, dass einer seiner Vorfahren an der Schlacht am San Jacinto teilgenommen hätte, nur dass dieser Vorfahre ein Pferdedieb gewesen wäre und Pferde an beide Seiten verkauft hätte.«
»Ja, das hat er gesagt.«
»Das war nicht bloß ein Witz.« Ich hörte, wie sie in einem Notizbuch blätterte. »Wilburs Vorfahr war ein gewisser Jefferson Pickett. Ich weiß nicht, ob er ein Pferdedieb war oder nicht, aber er hat das Massaker bei Goliad überlebt, und er war bei Houston, als Santa Anna am San Jacinto gefangen genommen wurde.«
»Hat er ebenfalls ein Stück Land bekommen, so wie alle anderen texanischen Soldaten?«
»Du hast’s kapiert, kemo sabe.«
»Was ist daraus geworden?« Ich spürte, wie ich den Hörer unwillkürlich fester packte.
»Der Großteil wurde verkauft. Bis auf etwa fünfzig Hektar in der Nähe von Beaumont, die Wilburs Urgroßvater gehörten. Ich bin gerade in der öffentlichen Bibliothek von Beaumont. Diese fünfzig Hektar befanden sich in unmittelbarer Nähe der Ölvorkommen bei Spindietop. Wilburs Urgroßvater hat sie in einem zivilrechtlichen Verfahren verloren, das von einem aus Houston stammenden Ölspekulanten namens Deitrich angestrengt wurde. Wilburs Urgroßvater hat sich erhängt. All das ist etwa um das Jahr 1901 passiert. Rat mal, um wen es sich bei diesem Deitrich handelt.«
Ich hatte in meinem Büro gestanden und aus dem Fenster geschaut, während ich mit ihr sprach. Mit einem Mal wurde mir schwindlig, und mein Gesicht fühlte sich kalt an und war gleichzeitig mit einem Schweißfilm überzogen. Ich ließ mich auf meinem Drehstuhl nieder.
»Bist du noch dran?«, sagte Temple.
Wilbur Pickett war in seiner Scheune und wetzte die mittlere Zinke einer Grabenfräse an einer Schleifscheibe, dass die Funken auf seine Stiefel stoben, als ich mit dem Avalon auf dem Gras anhielt, ausstieg und zu ihm ging, ohne den Motor abzustellen.
Ich warf meinen Hut nach seinem Kopf. Er öffnete den Mund, sah dann meine Miene und machte ein derart angespanntes Gesicht, dass er lauter weiße Linien, wie dünne Fadenstücke, um die Augen hatte.
»Du hast es getan,
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