Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
schwanden ihm die Sinne. So schlimm war es noch nie gewesen. Er merkte noch, wie er sich durch den Türrahmen bewegte, taumelnd, von einem Schwindel ergriffen, der ihm die Orientierung raubte. Dann fiel er, knallte auf den Boden, da er wieder sichtbar und angreifbar geworden war, und verlor endgültig das Bewusstsein.
Er hörte aufgeregte Stimmen. Lisandra. Haul. Dann die ruhigere Stimme von Grohann. Wo war Maria? Sie war doch sonst immer da, wenn er zurückkam. Etwas Wohltuendes belebte ihn, durchfloss seine Adern, machte sein Blut, das bestimmt grau geworden war, wieder rot. Diesen Gedanken hatte er, verwarf ihn aber gleich wieder. Grohanns Zauber, er wirkte.
Gerald atmete einen Atemzug nach dem anderen, das Leben kehrte in seine Glieder zurück und er öffnete die Augen. Langsam versuchte er sich aufzurichten, arbeitete sich in eine sitzende Haltung, sah benommen um sich. Er kämpfte noch gegen das vertraute Gefühl der Übelkeit an, da bemerkte er eine neue Woge von heilender Magie und unsichtbarer Stärkung, die Grohann ihm schickte.
„War ich wieder so lange weg?“, fragte er.
„Nein“, hörte er Lisandra sagen. „Erst eine halbe Stunde! Wir hatten noch gar nicht mit dir gerechnet!“
„Ach ja?“, fragte Gerald.
Ihm war immer noch schwindelig. Alles kreiste in seinem Kopf.
„Warst du auf der Flucht?“, fragte Haul. „Haben sie dich angegriffen?“
Er versuchte, den Kopf zu schütteln, ließ es aber gleich wieder bleiben, da ihm davon noch schwindeliger wurde.
„Ich habe es wohl übertrieben“, murmelte er. „Ich war zu schnell unterwegs. Das kostet Kraft.“
„Und?“, fragte Lisandra. „War es das wert?“
„Ja“, sagte er. „Ja, das war es wert. Aber was ich herausgefunden habe, macht mich nicht glücklicher.“
Lisandra öffnete den Mund, doch Grohann gab ihr ein Zeichen, woraufhin sie verstummte.
„Er wird uns noch alles erzählen“, sagte Grohann. „Jetzt muss er erst mal wieder zu Kräften kommen. Gerald, du musst in Zukunft vorsichtiger sein – du hast dich fast zerrissen!“
Er nickte und schloss wieder die Augen.
„Wo ist Maria?“, fragte er.
„Draußen“, antwortete Lisandra. „Dieser unnütze Hase hat schon nach einer Viertelstunde das Quengeln angefangen. Daraufhin ist sie mit ihm in den Garten gegangen. Sie dachte, du bist noch Stunden weg.“
„Ich brauche ja auch kein Empfangskomitee“, sagte Gerald und rang sich zu einem ersten Lächeln nach seiner Rückkehr durch. „Ich wollte nur wissen, ob alles in Ordnung ist.“
„Ist es“, versicherte ihm Lisandra. „Haul und ich haben die ganze Zeit die Gänge und Türen kontrolliert. Erst als du mit einem Knall auf dem Boden gelandet bist, sind wir hierhergerannt.“
„Ihr zwei habt zusammen patrouilliert?“, fragte Gerald spöttisch. „Das stelle ich mir nicht besonders effektiv vor.“
„Wir waren getrennt unterwegs“, sagte Haul.
„Na gut“, erwiderte Gerald und lachte. „Dann lasse ich es gelten.“
Langsam, ungefähr so langsam, wie er unterwegs gewesen war, bevor er die rettende Tür erreicht hatte, versuchte er aufzustehen. Und als es ihm endlich gelungen war, stand er auf sehr wackeligen Beinen.
„Es wird wieder, oder?“, fragte er in Grohanns Richtung. „Ich erhole mich wieder?“
„Schon“, antwortete der Steinbockmann. „Aber ich befürchte, wir sollten einige Tage aussetzen. Sicherheitshalber.“
Das gefiel Gerald gar nicht. Er wollte unbedingt wissen, was sich unterhalb des Platzes im Labyrinth der alten Mauern verbarg. Doch das Rätsel musste warten. Jetzt wollte er erst mal in die sonnigen Räume des Schlosses zurückkehren, auf eins der altmodischen Sofas sinken und darauf warten, dass Maria ihm heißen Tee anbot. Tee. Der Tee der Spiegelwelt. Er hatte immer eine heilsame Wirkung auf Gerald. Er brauchte ihn jetzt.
„Du hast es versprochen!“, schimpfte Maria, als sie mit Rackiné den Kiesweg zwischen den weißen Rosen entlangspazierte. „ Ihr werdet gar nicht merken, dass ich dabei bin! Ha, das war wirklich ein guter Witz, Rackiné!“
„Jetzt sei doch nicht so biestig!“
„Ich dachte, du wärst erwachsener geworden. Aber der Ghul hat wohl nicht nur deine Körpergröße geschrumpft!“
„Das ist fies“, jammerte Rackiné. „Ich bin ein armes Opfer, du darfst nicht so mit mir reden!“
„Wenn man etwas verspricht, muss man es auch halten!“
Der Hase schwieg und schmollte. Er wurde immer langsamer und fiel hinter Maria zurück. Ihr war es
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