Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
geschlüpft, durch das nicht mal Scarletts Kopf gepasst hätte.
„Ist das der Zaun zum Faulhund-Gehege?“, fragte Scarlett.
Hanns antwortete mit einem Zwitschern, denn er saß bereits als kleiner Vogel in dem Loch, durch das Scarlett niemals kommen würde.
„Lass dich schön von der Katze fressen!“, rief Scarlett.
Weg war der Vogel und Hanns war wieder da, auf der anderen Seite des Zauns.
„Heute ist nicht dein Tag, was?“, fragte er und mit ein paar Handgriffen und einem intensiven Blick verwandelte er das Loch in einen großen Durchgang – trotz der vielen Sicherheitszauber, die den Zaun normalerweise schützten.
„Wie hält es Haul eigentlich Tag für Tag mit dir aus?“, fragte sie und spazierte durch den Zaun, der sich hinter ihr schloss.
„Genauso wie du damals.“
„Du meinst, du spielst ihm vor, du wärst nur ein stotternder, harmloser, schutzbedürftiger Junge?“
„Das ist mal wieder deine Sichtweise, Scarlett. Ich stottere wirklich und ich war damals harmlos. Ich habe niemanden etwas getan, im Gegensatz zu dir. Und schutzbedürftig war ich nie, du hast dir nur eingebildet, du müsstest auf mich aufpassen! Es schien dir Freude zu machen.“
Scarlett sah den Jungen an, der damals kleiner gewesen war als sie, sie aber jetzt um einiges überragte. Viel, sehr viel hatte sich seit ihren Kindertagen geändert.
„Du hast mich verhext! Mit diesen grauen Augen! Das machst du manchmal, glaub nicht, dass es mir entgeht! Du schaust die Leute an und dann tun sie auf einmal genau das, was du von ihnen willst!“
„Ich habe dich damals nicht verhext!“
„Damals vielleicht nicht, aber in dem Winter, als –“
Scarlett verstummte, denn zwischen ihr und Hanns stand plötzlich Hylda und tat etwas, das Scarletts Lippen zum Bitzeln brachte.
„Seid ihr bald fertig?“, fragte Hylda ungeduldig. „Tauscht eure albernen Kindheitserinnerungen aus, wenn ich nicht dabei bin! Sonst falle ich noch tot um vor Langeweile.“
„Das wäre kein Verlust“, sagte Scarlett.
„Oh doch, Herzchen! Denn wenn ich tot umfalle, wird es Golding auch tun, und dann ist alles weg, was du dir noch hättest zurückholen können.“
Scarlett schaute Hanns an. Hatte sie recht?
„Sehen wir uns Golding an“, sagte Hanns. „Vorausgesetzt, die da fressen uns nicht!“
Er sagte es und nickte dabei in Richtung der Faulhunde, die sich zu einem Pulk zusammengerottet hatten und die Eindringlinge argwöhnisch beäugten. Die Faulhunde hechelten nervös, ihre riesigen, schwulstigen Nasen arbeiteten und die Brustkörbe unter der haarlosen Haut pumpten. Sie waren in der Stimmung, sich auf den ungebetenen Besuch zu stürzen, alle auf einmal, und dafür zu sorgen, dass er sie nie wieder behelligte.
„Oh, ich vergaß“, sagte Hylda. „Mich mögen sie. Ob sie euch mögen, weiß ich natürlich nicht.“
„Mich mögen sie auch!“, erklärte Scarlett. „Ich hatte schon mal das Vergnügen.“
„Dann liegt es wohl an mir“, sagte Hanns. „Wohin wollen wir?“
Hylda zeigte auf eine Gruppe von Bäumen und Büschen, die Scarlett gut kannte. Hier war sie aus der Tiefe geklettert, nachdem sie mit dem heiligen Riesenzahn aus dem Feenmaul geflohen war. Hanns verwandelte sich wieder in einen Vogel und er tat gut daran, denn die Faulhunde waren soeben losgeschossen, um ihn zu zerfleischen. Da er nicht mehr dort war, wo er eben noch gestanden hatte, sprangen sie erstaunlich hoch in die Luft, um nach ihm zu schnappen, doch sie erreichten ihn nicht. Er flog zu den Bäumen, die Hylda ihm gezeigt hatte, und blieb auf einem hohen Ast sitzen, bis die beiden bösen Crudas bei ihm angekommen waren.
„Da unten steckt er also“, sagte Scarlett und schaute hinab in den dunklen Schacht, aus dem sie damals geklettert war. „Sicher sehr gemütlich.“
Hylda schwieg und wurde zur Abwechslung eine Fledermaus, die im dunklen Schacht verschwand. Hanns tat es ihr nach und war ebenfalls nicht mehr zu sehen, weil es da unten so dunkel war. Scarlett verdrehte die Augen in Richtung Himmel. Aber diesmal wartete sie nicht, bis Hanns ihr eine Treppe oder einen Fahrstuhl vor die Nase zauberte, sondern sie stieg über den Rand des Schachts und kletterte mithilfe der kleinen Metallgriffe hinab, die im Inneren des Schachts in der Mauer verankert waren. Mit deren Hilfe war sie damals nach oben gekommen.
Hanns konnte es nicht lassen, sie zu unterstützen. Er schickte ihr von unten eine Laterne, die immer eben da schwebte, wo Scarlett gerade kletterte. Als
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