Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
er sämtliche Küchenhilfen um den hoheitlichen kleinen Finger gewickelt und bekam stets das Beste geliefert, was die Küche von Sumpfloch zu bieten hatte. Selbst Wanda Flabbi war entzückt von dem höflichen, jungen Herrn, der sich immer so nett nach ihrem Wohlergehen erkundigte.
Das Staubmonster veranlasste den Herrscher von Fortinbrack dazu, seine Pläne umzuwerfen und in die entgegengesetzte Richtung zu gehen – nicht in die Küche, sondern zum Trophäensaal, wo er Scarlett fand, die auf einer Truhe hockte, böse vor sich hin sinnierend.
„Was ist los, Scarlett?“, fragte er.
Scarlett sah ihn an, ihren ältesten Freund. Hanns stotterte nicht, wenn er mit ihr sprach. Er wirkte auch nicht verlegen oder kleinlaut, obwohl er doch schon ein paar Mal zugegeben hatte, dass sie ihm sehr viel bedeutete. Seine grauen Augen beobachteten sie wachsam und belustigt. Das blonde Haar war wie immer sauber gescheitelt und saß tadellos, ebenso wie die teure Kleidung aus Tolois, die sich Hanns gleich nach seiner Flucht hierher organisiert hatte. Das waren Kleinigkeiten für ihn, ein Kinderspiel. So wie das meiste, woran sich andere Menschen ihr Leben lang abarbeiteten.
Als Scarlett noch mit Hanns in einem Waisenhaus gelebt hatte, war ihr nie klar gewesen, mit was für einem begabten Genie sie es zu tun gehabt hatte. Denn er hatte es niemanden merken lassen, nicht einmal sie. Doch Grindgürtel hatte es sofort bemerkt. Er hatte nach einem Jungen wie diesem auf der ganzen Welt gesucht, fast hundert Jahre lang. Und nachdem er ihn endlich gefunden hatte, hatte er ihn adoptiert und zu seinem Nachfolger erzogen. Hanns’ Fähigkeiten rührten also nicht nur von seinen Talenten her, sondern auch von dem Wissen und der Erfahrung, die ein sehr alter, mächtiger Zauberer an ihn weitergegeben hatte.
Das Bemerkenswerte an Hanns war, dass weder seine Stellung noch sein Können dazu führten, dass die Leute zu viel Respekt vor ihm bekamen. Jeder fand ihn nett, man war bereit, ihm schnell zu vertrauen, die Leute fühlten sich wohl in seiner Gesellschaft. Nur wer ihn näher kannte, konnte auf die Idee kommen, dass der Junge nicht so harmlos war, wie er aussah. Hanns hatte Pläne und vielleicht war Haul der Einzige, der wusste, wie diese Pläne aussahen. Wenn überhaupt.
„Nichts ist los“, antwortete Scarlett.
„Ja, so sieht es aus.“
„Sie lassen mich nicht in die Spiegelwelt.“
„Das tut mir leid für dich, aber ich würde dich auch nicht reinlassen, wenn ich Grohann wäre“, sagte Hanns furchtlos.
Scarletts Wutattacken hatten ihn noch nie eingeschüchtert und deswegen hatte er auch keine Angst davor, dass sie aus der Haut fahren könnte.
„Grohann und du!“, sagte Scarlett verächtlich. „Was ist das für eine neue Freundschaft? Ich dachte, du hasst ihn, weil er deinen Vater auf dem Gewissen hat?“
„In diesen schwierigen Zeiten muss man höhere Interessen über persönliche Abneigungen stellen.“
„Und was ist dein höheres Interesse?“
„Einfluss.“
Scarlett überdachte das und nickte.
„Klingt einleuchtend.“
„Wo ist Berry?“, fragte Hanns und setzte sich auf eine der anderen großen Truhen, die im Trophäensaal herumstanden. Wanda Flabbi bewahrte darin Wäsche auf.
„Was interessiert dich das?“
„Na ja, sie könnte dich aufmuntern.“
Scarlett schnaubte leise.
„Niemand kann mich aufmuntern. Außerdem ist sie in Gürkel. Sie darf ja noch hingehen, wo sie will. Eine der wenigen Personen, in deren Leben sich Grohann nicht einmischt!“
„Sonst noch was, Scarlett?“, fragte Hanns und verzog dabei auf verdächtige Weise die Mundwinkel.
„Nimm dich in Acht!“, rief Scarlett empört. „Ich habe schlechte Laune und du lachst mich aus! Das solltest du nicht tun!“
„Das habe ich doch schon immer gemacht“, sagte er und grinste. „Jetzt mal im Ernst – was regt dich wirklich auf?“
„Ich hatte gestern eine Unterredung mit Hylda. Heute wollte ich mit Grohann darüber sprechen, aber er sagte ‚später, später’. Es ist nämlich so: Erst kommen die wichtigen Dinge und dann komme ich! Ich muss mich hinten anstellen, denn mein Schicksal ist ja nicht weltbewegend!“
„Ah, ich verstehe.“
„Tust du nicht! Du bist doch auch so furchtbar wichtig! Ich bin nur eine schusselige böse Cruda, die angeblich ihre besten Kräfte an ein Ungetüm wie Golding verschleudert hat!“
„Hast du das?“
„Sagt Hylda.“
„Weil du Golding in einen Frosch mit Horn verwandelt hast?“
„Sie
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