Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
spannende Dinge in Marias Spiegelwelt erlebten oder im Schulgarten herumtobten oder Schlemmer-Ausflüge ins nahe gelegene Gürkel unternahmen oder zum See wanderten, um schwimmen zu gehen, musste Lisandra mit Viego in dessen düsterem Arbeitszimmer sitzen und büffeln. Geschichte von Amuylett, angewandte Magikalie, Natur-Kreisläufe und immer wieder Lesen und Schreiben. Denn damit hatte Lisandra nach wie vor große Schwierigkeiten.
Es wurde besser, Tag für Tag, doch sie war weit davon entfernt, Viego Vandalez dankbar zu sein. Wenn sie den Halbvampir auch nur von Weitem sah, verzog sie das Gesicht und spazierte schnellstmöglich durch die nächste Wand, um ihm zu entkommen. Dieses Talent, durch Wände zu gehen, das sie erworben hatte, als ein Engelsdämon sie zu töten versuchte, war aber nur mäßig nützlich. Der Halbvampir besaß irgendwelche Fledermaus-Antennen, mit denen er sie immer aufzuspüren vermochte. Außerdem konnte er sehr effektiv drohen. Es blieb Lisandra also nichts anderes übrig, als klüger zu werden.
Seit drei Tagen jedoch war Sumpfloch komplett vampirfrei und Lisandra konnte ihre süße Ferienzeit endlich schreib- und lesefrei genießen. Viego Vandalez war nach Moos Eisli gereist, um Ritter Gangwolf höflich daran zu erinnern, dass er von Grohann gebeten worden war, nach Sumpfloch zu kommen. Dreimal. Alle drei Male hatte Ritter Gangwolf geantwortet, er sei so gut wie auf dem Weg, er müsse nur vorher noch ein paar dringende Angelegenheiten erledigen. Nach dem dritten Mal hatte Grohann die Geduld verloren und zu Viego gesagt, wenn er Gangwolf nicht persönlich herschleife, werde er, Grohann, es tun.
Nun war Viego Vandalez bekannterweise Gangwolfs bester Freund und sein Verbündeter. Außerdem gab es auf Schloss Moos Eisli immer einen guten Schluck Tox zu trinken und andere Annehmlichkeiten zu genießen, weswegen sich Viego gerne bereit erklärte, Gangwolf zu holen. Gerald hatte Lisandra versichert, dass sein Vater – Ritter Gangwolf – bestimmt alles in seiner Macht stehende tun würde, um die Reise nach Sumpfloch so lange wie möglich hinauszuzögern. Lisandras Chancen auf ein paar weitere Tage ohne Vampirstress standen also gut.
Doch heute fühlte sie sich noch weit weniger erholt als in all den Tagen des Extra-Unterrichts zuvor. Es war schon reichlich seltsam, in Marias Spiegelwelt herumzusitzen und sich zu fragen, wo man denn nun eigentlich war. In Sumpfloch? In Marias Kopf? In einem Schloss der Vergangenheit? In einer Einbildung?
Lisandra hatte schließlich aufgehört, sich zu fragen, wo die Spiegel, die Maria durchlässig machen konnte, hinführten. Hinter den Spiegeln sah es jedenfalls sehr vornehm und altmodisch aus, als ob sie sich in einem Schloss alter Zeiten befänden. Kleine Tiere in Uniformen liefen herum und staubten ab oder arbeiteten im Garten. Jede Menge Bücher standen oder lagen herum, die Maria begeistert verschlang. Gerade war es eine Buchreihe über Vampire. Romantische Vampire, die tagsüber so aussahen wie echte Menschen und nicht wie Viego Vandalez. Lisandra konnte Maria nicht oft genug erklären, was sie von Vampiren im Allgemeinen und romantischen Vampirgeschichten im Besonderen hielt! Maria wollte einfach nicht auf sie hören.
Aber gut, all diese Dinge ließen sich ganz gut verkraften, wenn man sich mal dran gewöhnt hatte. In Marias noblen Räumen war es kühl, genau richtig kühl, nicht zu kalt oder zu heiß. Maria kochte Tee und servierte Kekse, die Lisandra nach anfänglichem Misstrauen (woraus bestanden diese Kekse? Wer hatte sie gebacken? Und was hatten die komischen uniformierten Eichhörnchen, die sie servierten, schon damit gemacht?) mit großem Appetit verschlang.
Die altmodischen Sofas waren bequem und das Geschehen, das Lisandra nun endlich mitverfolgen durfte, spannend. Denn jeden Morgen wurde Gerald von Grohann auf einen weiteren Weg in die tote Welt vorbereitet. Man beratschlagte gemeinsam, wohin Gerald gehen und wo er suchen sollte, und hörte von Grohann so manch spannende Geschichte über die Lilienpapiere, die Erdenkinder des Anbeginns oder Theorien darüber, warum und wie diese Welt, die nun tot war, mal gestorben war.
Alles bestens, nur das Treppenhaus, in dem sich der Übergang zur toten Welt befand, war Lisandra sehr unheimlich. Sie war nicht die Einzige, der es so ging. Thuna verriet Lisandra, dass sie es anfangs immer nur halbe Stunden in den schummrig beleuchteten Fluren des Treppenhauses ausgehalten hatte. Thuna bekam auch immer
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