Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
unterschiedlicher sein können. Viego war hager, blass, dunkelhaarig und sehr ruhig. Die Augen rot gerändert, die Lippen bleich, die Mundwinkel verräterisch herabgezogen. Der andere Junge schien ein Ausbund an Energie zu sein, lebendig und fröhlich und bestimmt der Liebling aller Mädchen, da er gut aussah und zwar auf diese Weise, die Vertrauen weckte. Im Gegensatz zu Viego schien er die Sonne zu lieben, denn diese hatte sein dunkelblondes Haar fast golden gebrannt.
„Halbvampire sind eher selten, oder?“
„Na ja, es kommt manchmal vor“, antwortete Viego, dem das Gespräch nicht angenehm war.
„Was kommt vor?“
„Dass Vampire ihre Opfer am Leben lassen können. Zumindest für einige Zeit.“
„War es dein Vater oder deine Mutter?“
Viego hätte es vorgezogen, über dieses heikle Thema zu schweigen. Doch er sah dem Jungen an, dass er seine Fragen nicht böse meinte. Er wollte es wirklich wissen, daher antwortete Viego ihm ehrlicher, als er es normalerweise tat.
„Meine Mutter ist ein Vampir, mein Vater war ein Jäger. Sie saß in seiner Falle und brachte ihn dazu, sie zu verschonen. Sie mochten sich, also … kam es so.“
„Und wie hat es dein Vater verkraftet?“
„Schlecht. Er ist tot.“
„Oh, das tut mir leid!“
„Muss es nicht. Er wusste, was er tat. Er hat sogar ein paar Jahre bei uns gelebt, aber es ging nicht gut. Sie hat ihn geschwächt und irgendwann hat er es nicht mehr geschafft.“
Viegos Gegenüber hätte gerne mehr darüber erfahren, das sah ihm Viego an. Doch der Junge schien auch zu merken, dass es dem Halbvampir schwerfiel, darüber zu sprechen. Also besann er sich auf seine guten Manieren, streckte Viego die Hand entgegen und sagte:
„Ich bin Gangwolf. Und du?“
Viego zog seine bleiche Hand mit den langen Fingernägeln hinter dem Rücken hervor und reichte sie Gangwolf. Er war es nicht gewohnt, echte Menschen anzufassen. Es fühlte sich merkwürdig an und heizte das Vampirblut, das durch seine Adern floss, auf gefährliche Weise auf. Schnell nahm er seine Hand wieder zurück.
„Ich heiße Viego.“
Gangwolf war immer noch nicht abgeschreckt. Er wirkte eher begeistert angesichts dieser neuen, aufregenden Bekanntschaft.
„Ich muss dir jemanden vorstellen“, erklärte er und sah sich ungeduldig nach allen Richtungen um, bis er gefunden hatte, was er suchte.
„He, Geraldine!“, rief Gangwolf über den ganzen Innenhof von Sumpfloch. „Komm mal her!“
Ein Mädchen mit langen, braunen Haaren drängte sich durch die vielen Schüler und blieb vor Gangwolf und dem Halbvampir stehen.
Viego fand sie wunderschön! Alles an ihr gefiel ihm: die leicht gebräunte Haut, unter der die Sommersprossen auf ihrer Nase fast verschwanden, die sanften braunen Augen unter zart geschwungenen Augenbrauen und ihr Mund, der das Gegenteil war von den verkniffenen Mündern, die Viego von seinen Vampirverwandten gewohnt war. Ihre feinen, rosaroten Lippen lächelten ihn arglos an, völlig ohne Angst, obwohl er doch ein Vampir war. Ein halber Vampir zwar nur, doch mit derselben schonungslosen Gefährlichkeit seiner Verwandten, wenn er der Nachtseite in seinem Inneren nachgegeben hätte. Was er nicht tun durfte oder wollte, obwohl ihm beim Anblick dieses Mädchens ganz anders wurde.
„Hab sie im Bus kennengelernt!“, sagte Gangwolf. „Sie kann sich unsichtbar machen.“
„Wirklich?“, fragte Viego verblüfft.
„Ja, ich bin nicht von hier“, erzählte Geraldine dem Halbvampir freimütig. „Ich bin in allem, was mit Magikalie zu tun hat, eine absolute Niete! Aber ich kann mich tatsächlich unsichtbar machen.“
„Das glaube ich erst, wenn ich es sehe!“, sagte Viego.
Sie lachte. Sie lachte in einer Art und Weise, die Viego ganz und gar verzauberte. Wahrscheinlich hatte er sich schon damals in sie verliebt, bei ihrer allerersten Begegnung.
„Ich hole mal unser Gepäck!“, sagte Gangwolf galant zu Geraldine.
Sie zuckte mit den Schultern, als sei dies das Mindeste, was er für sie tun könnte. Sie sah auf einmal verärgert aus und Viego wunderte sich darüber. Gangwolf schien das nicht zu bekümmern. Er lief los, um seinen und Geraldines Koffer aus dem Berg von Gepäck zu graben, den der Kutschbus-Fahrer vor der Brücke abgeladen hatte. Viego blieb mit Geraldine alleine zurück und das machte ihn sehr verlegen. Er hatte noch nicht viele Menschen kennengelernt und schon gar nicht solche hübschen Mädchen wie sie.
„Gangwolf ist sehr nett“, sagte er und bereute es
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