Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
sie eine Cruda war. Seither hatte er sie im Auge behalten, ohne sich in ihr Leben einzumischen. Das wusste sie zu schätzen.
„Das Mondpapier gehört im Übrigen der Cruda“, fuhr Viego fort. „Noch ein Grund, warum wir auf ihre Hilfe angewiesen sind.“
„Ich verstehe“, sagte Scarlett.
„Schön. Dann verstehst du auch, warum du in Sumpfloch gerade nichts zu suchen hast?“
Wieder fuhr ein Donnergrollen durch das Gemäuer, doch leiser diesmal, sanfter und weniger bedrohlich. Scarlett war verärgert, doch ihr Zorn richtete sich nicht mehr gegen diejenigen, die ihr etwas verbieten wollten, sondern gegen das Schicksal, das ihr immer wieder Steine in den Weg legte. Was sie nicht daran hindern sollte, ihren Willen durchzusetzen, beharrlich und unbeugsam.
„Wir kommen trotzdem mit.“
„Scarlett?“
Viego Vandalez schüttelte den Kopf, um Scarlett zur Vernunft zu bringen, doch die ging darüber hinweg.
„Hylda war lange Zeit die einzige böse Cruda, die es noch gab“, sagte sie. „Jetzt bin ich aufgetaucht, das heißt, es gibt zwei von uns. Wir haben die gleiche Natur und ähnliche Probleme. Warum sollten wir uns gegenseitig umbringen?“
„Die Möglichkeit, dass du sie umbringen könntest, steht gerade nicht im Raum!“, entgegnete Viego Vandalez. „Du bist ihr unterlegen, in jeder Hinsicht, und das weißt du!“
„Grohann ist ihr gewachsen, richtig? Er soll ihr gefälligst sagen, dass sie mich in Ruhe lassen soll.“
„Er hat ja auch nichts Besseres zu tun.“
„Er hält sie für wichtig und nützlich. Aber ich bin auch wichtig und nützlich! Nicht nur Hylda hat gegen die giftigen Wandler gekämpft, ich habe es auch getan! Die Hälfte aller Wandler ging auf mein Konto!“
„Erinnere mich nicht daran.“
„Warum?“
„Es hätte dich fast umgebracht! Scarlett, das ist kein Spiel! Hör auf meinen guten Rat und halte dich da raus. Du kannst wiederkommen, wenn die andere Cruda weg ist.“
„Ach ja, und wann wird das sein? In zehn Jahren? Wenn sie gebraucht wird, dann will ich auch gebraucht werden! Grohann wird es ja wohl schaffen, sie davon zu überzeugen. Fertig, aus, ich komme mit!“
Viego Vandalez verzog das Gesicht, die Schatten unter seinen Augen wurden tiefer. Er fixierte Scarlett mit seinen schwarzen Augen und sie konterte mit einem bitterbösen Cruda-Blick. Ritter Gangwolf beobachtete das Blick-Duell zwischen dem Halbvampir und seiner Schülerin mit Interesse.
„Sie besitzt deinen Sturkopf, Viego!“, stellte er schließlich fest.
„Das ist jetzt wenig hilfreich, Gangwolf“, grollte der Halbvampir.
„Sie wird sowieso tun, was sie will. Das Einzige, was mich wundert, ist, dass Gerald mit einer solchen Freundin nicht komplett überfordert ist. Ich wäre mir nie ganz sicher, ob sie mich am Leben lässt, wenn …“
„Wenn was?“, fragte Scarlett scharf, da Ritter Gangwolf mitten im Satz innegehalten hatte.
„Nun ja“, sagte er vorsichtig, „Beziehungen gehen auch mal schief. Ich kann ein Lied davon singen.“
„Eher tausend Lieder“, brummte Viego. „Scarlett, überleg es dir noch mal. Wir brechen übermorgen auf. Bis dahin wird dir hoffentlich klar sein, dass du dein Leben aufs Spiel setzt, wenn du mit uns kommst.“
Es war Scarlett durchaus klar, doch sie bestand trotzdem darauf. Sie würde mit Gangwolf nach Sumpfloch reisen und Gerald wiedersehen, koste es, was es wolle. Zähneknirschend gab Viego schließlich nach und beriet sich mit Ritter Gangwolf, wie Scarletts Entscheidung am besten in die Tat umzusetzen wäre. Sie hielten es für das Klügste, wenn Viego mit Gangwolfs Schneeweißem Lindwurm vorausfliegen würde, um Grohann über Scarletts Ankunft in Kenntnis zu setzen. Grohann würde hoffentlich seine Komplizin Hylda entsprechend bearbeiten, damit sie Scarlett am Leben ließ und auch sonst nicht allzu garstig auf die Ankunft einer zweiten Cruda reagierte.
Ritter Gangwolf wollte mit Berry und Scarlett zur gleichen Zeit aufbrechen, jedoch einen kleinen Umweg über Tolois nehmen.
„Einen kleinen Umweg?“, fragte Viego Vandalez. „Tolois liegt in der entgegengesetzten Richtung von Sumpfloch!“
„Ich nehme Legionär, meinen neuesten Flugwurm. Du solltest ihn mal sehen, er ist eine Wucht! Da spielt der Zeitverlust keine Rolle.“
Viego verdrehte die Augen.
„Was willst du in Tolois, Gangwolf? Die Zeit drängt, du wirst in Sumpfloch gebraucht! Da muss ich dem Steinbock ausnahmsweise mal recht geben!“
Die alten Freunde saßen nach Einbruch der
Weitere Kostenlose Bücher