Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
ihn.
„Papa, Hanns hat immer viel zu tun! Er will sich jetzt sicher keine Geschichten über lebendig gewordene Ritterrüstungen anhören!“
Alban sah Hanns fragend an und dieser nickte entschuldigend.
„Ja, ich muss l-leider weiter“, sagte er.
Er schenkte Maria noch einen aufmunternden Blick und verschwand in der Toreinfahrt. Doch Marias Qualen waren damit noch nicht beendet.
„Schade, dass er stottert“, rief Grazia so laut, dass man es bestimmt noch im vierten Stock auf der Krankenstation hören konnte. „Aber sonst ist er ein Bild von einem jungen Mann!“
„Ja, wenn nur die Kälte und die Gespenster nicht wären“, jammerte Alban. „Unserer Kleinen würde es in Fortinbrack nicht gefallen.“
Maria hatte jetzt endgültig die Nase voll. Sie packte sich fünf der Pakete – so viele sie alleine tragen konnte – und marschierte in Richtung der Tür, die ins Innere der Festung führte. Sollten ihre Eltern doch mitkommen oder da draußen stehen bleiben, Maria würde sich keine Sekunde länger mit ansehen, wie sie von ihren Eltern zum Kasper der Schule gemacht wurde. Für all das würde sie in diesem Schuljahr büßen müssen. Spöttische Kommentare, hämische Blicke, Witze über ihre zukünftigen Gatten, die überhaupt nicht interessiert waren. Jeder sah das ganz deutlich, nur Marias Eltern nicht.
„Täubchen, warte auf uns!“, hörte sie ihre Eltern hinter sich rufen.
Da kamen sie auch schon, mit ihren restlichen Paketen. Maria gelang es, sie in einen Seitengang zu führen, der nicht ganz so gut besucht war, und dort packte sie ihre übrigen Geschenke aus.
„Vielleicht könnte er ja im Winter in Amuylett wohnen?“, überlegte Grazia laut.
„Mama, Hanns hat auch nur Scarlett im Kopf. Das wird nichts.“
„Immer diese Scarlett !“, rief Grazia erbost. „Was finden die bloß an der?“
Maria packte zwei Handschuhe aus, für die es noch reichlich zu früh im Jahr war. Aber sie sahen hübsch aus, keine Frage. Sie würde sie Thuna schenken, denn deren Handschuhe waren im letzten Winter an ihre Grenzen gestoßen.
„Scarlett hat tolle schwarze Haare“, erklärte sie ihren Eltern, „und wunderschöne grüne Augen. Außerdem ist sie eine begabte Zauberin. Sie wird mal sehr mächtig werden. Überzeugt euch das?“
„Wer will denn schon eine Zauberin zur Frau haben?“, fragte Alban. „Deine Mutter ist komplett unbegabt im Zaubern, genauso wie du. Deswegen liebe ich sie so sehr!“
Er strahlte Marias Mutter an und sie strahlte zurück. Das war das Beeindruckende an Marias Eltern. Nach vielen, vielen Jahren der Ehe liebten sie sich immer noch wie am ersten Tag. Es gab nur noch ein Geschöpf, das sie vielleicht noch mehr liebten als sie einander liebten, und das war Maria. Sie wusste das sehr zu schätzen. Aber es trieb sie auch zunehmend in den Wahnsinn.
Maria verbrachte den sonnigen Herbsttag mit ihren Eltern im Inneren der Festung, während alle anderen Schüler, kaum dass sie ihr Gepäck im Zimmer abgeladen hatten, in den Schulgarten rannten. Der Präsident hatte nämlich so viele Leckerbissen und unverbrauchte Lebensmittel in Sumpfloch gelassen, dass Wanda Flabbi beschlossen hatte, die Schüler, die so lange weg gewesen waren, mit einem Willkommensfest zu begrüßen. Überall im Garten standen Tische mit Essen und Getränken, in den Bäumen hingen Lampions, die am Abend für eine gemütliche Beleuchtung sorgen sollten, und Kissen und Decken im Gras lockten die Schüler in Scharen an.
Maria hörte ihr Geschrei und Gelächter durch die Fenster, während sie von ihren Eltern erzählt bekam, was in den Monaten ihrer Abwesenheit im Schloss Montelago Fenestra so alles passiert war. Maria hörte aufmerksam zu und kam heimlich zu dem Schluss: Es war überhaupt nichts passiert. Aber vor dem Hintergrund der Krise war das ja auch gut so.
„Und bei dir, Täubchen?“, fragte Alban. „Hast du dich auch nicht gelangweilt, den ganzen Sommer hier in diesem alten Kasten?“
„Nein, wir hatten viel zu tun.“
„Es ist ja nett, dass sie dich extra für Nachhilfestunden aus den Ferien geholt haben, aber warum glauben sie, dass die Lehrer hier etwas schaffen, was noch keiner deiner Privatlehrer geschafft hat?“
„Du meinst, dass etwas in meinem chaotischen Kopf hängen bleibt?“, fragte Maria. „Und dass ich es bei einer Prüfung abrufen kann? Das ist viel besser geworden, Papa. Meine Technik ist jetzt eine andere.“
„Das ist ja schön“, sagte Grazia. „Und wie kam es, dass dir
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