Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
ich. Wahrscheinlich ist sie Torcks tödlichste Tochter und ich bin nur eine mittelmäßige Cruda, die aus Versehen noch übrig ist.“
„Verrätst du mir mal, Scarlett, warum du unbedingt Torcks tödlichste Tochter sein möchtest?“, fragte Viego Vandalez vorwurfsvoll und amüsiert zugleich. „Ich wusste gar nicht, dass du dein Selbstwertgefühl an so einer Geschichte festmachst.“
„Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe keine Lust, als überflüssiger Problemfall in Sumpfloch geduldet zu werden. Wenn ich in einer Prophezeiung vorkäme und eine wirklich nützliche Kriegerin werden könnte, dann würde ich mich besser fühlen!“
„Du willst nützlich sein?“, fragte Lisandra. „Komm, Scarlett, das ist einer bösen Cruda nicht würdig!“
„Lisandra hat recht. Vielleicht blockieren dich deine guten Wünsche, Scarlett. Du solltest dich nicht in der Absicht verwandeln wollen, uns eine Hilfe zu sein. Du musst dir schon ein paar selbstsüchtige und niederträchtige Motive suchen. Sonst klappt es nicht, das weißt du doch.“
„Keine Sorge“, sagte Scarlett, „ich kann wie ein gehässiges Biest denken und fühlen, wenn es darauf ankommt, das war noch nie schwierig für mich. Aber ich kann meine Kräfte nur nach außen richten. Ich selbst bleibe unwandelbar wie ein Stein!“
„Merkwürdig“, sagte Viego. „Als ob ein Vampir nicht wüsste, dass Blut gut schmeckt.“
„Es schmeckt Ihnen wirklich gut?“, fragte Lisandra.
„Wärst du doch nur halb so neugierig, wenn ich dir etwas Sinnvolles beibringen will“, sagte Viego Vandalez kopfschüttelnd. „Ich glaube, ich muss meine Unterrichtsmethode deinem sensationslüsternen Geist anpassen.“
„Warum nicht? Das klingt vielversprechend!“
„Weißt du was, Lissi? Du gehst jetzt in die Bibliothek und erzählst mir morgen, warum Fledervögel keine Mondmotten fressen. Ich muss mich jetzt um Scarlett kümmern.“
Das hörte sich nach einem lockeren Nachmittag an. Bereitwillig stand Lisandra auf und huschte zur Tür, bevor es sich der Halbvampir noch einmal anders überlegte.
„Ach, und Lisandra …“, sagte er, als sie die Türklinke niederdrückte.
„Jaaaa?“
„Pass auf, was du Hanns erzählst. Wir wissen nicht, was er wirklich vorhat. Klar?“
Lisandra nickte. Sie war keine Heldin darin, verschwiegen zu sein, aber sie würde sich Mühe geben.
Lisandra schlug brav den Weg zur Bibliothek ein, doch unterwegs warf sie einen ausführlichen Blick aus den Fenstern in den Garten. Sie entdeckte Lars, der am Beet der Unvergessenen Verwegenen kniete und deren Blätter mit einer Pipette betropfte. Diese Blumen waren so zickig und anspruchsvoll! Es war Lisandra ein Rätsel, warum Lars so verknallt in sie war. Gut, sie waren selten und wertvoll und galten als edelste Blumen der Welt, aber was waren Blumen wert, die jeden Tag so verhätschelt werden mussten?
Lisandra hatte ein genaues Bild vor Augen, wie Lars’ Traumfrau aussehen müsste: schön, affektiert, empfindlich, launisch, elitär und eine Nervensäge. Also von der Schönheit mal abgesehen das genaue Gegenteil von Thuna. Was Lisandra zu der Frage führte, warum Thuna immer noch versuchte, Lars zu gefallen. Ein Junge, der jeden Tag auf allen vieren im mit Regenwaldfroschkot gedüngten Beet herumkroch, um die zarten Blätter der Unvergessenen Verwegenen nach Läusen, Spinnen, Schnecken und anderen Pflanzenvampiren abzusuchen, war jetzt wirklich nicht das, was sich Lisandra unter einem Helden vorstellte. Da konnte er noch so goldblond sein und sympathisch strahlen …
Lisandra hielt in ihrem Gedankengang inne, da sie Thuna im Garten erhaschte, nur kurz, wie sie den Weg ins Tal der beseelten Bäume einschlug. Sie hielt den Kopf gesenkt, hatte die Hände zu Fäusten geballt und wirkte irgendwie gehetzt und bedrückt. Lisandra ließ ihre Bücher und Schreibsachen auf der Fensterbank liegen und sprang die Treppen hinab, um in den Garten zu laufen.
Kapitel 1 3: Die Ghul-Fürstin
In den tiefen Schatten unter den beseelten Bäumen fand Lisandra Thuna, wie sie am Fuß eines dicken Baumstamms hockte und heulte. Das war sehr untypisch, denn Thuna weinte so gut wie nie. Ihre langen, glatten Haare fielen ihr ins Gesicht, unbekümmert schimmernd in dem zaubergrünen Licht, das sie verbreiteten. Die bloßen Füße hatte Thuna halb in die Erde gebohrt und ihre Hände hielt sie immer noch zu Fäusten geballt gegen die Stirn gedrückt.
„Was ist los?“, fragte Lisandra und ging neben Thuna
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