Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Wildnis. Doch sie war geradezu harmlos gegen das gewesen, was Grohann verkörperte. Ritter Gangwolf spürte deutlich, dass dem Steinbockmann eine Kraft innewohnte, die mit gewöhnlichen Zauberkräften nicht vergleichbar war. Nun bestand akut keine Gefahr, dass Grohann diese Kraft gegen Gangwolf richtete, doch dem Ritter war doch leicht unwohl, als er sich gezwungen sah, dem Zauberer darzulegen, was es mit dieser Tür auf sich hatte.
„Es ist so“, begann er, „dass ich einmal bei Dorn von Gorginster zu Besuch war.“
„Wann?“
„Vor ungefähr zehn Jahren.“
„Zu welchem Zweck?“
„Ich reise gerne und er hatte mich eingeladen bei irgendeiner Gelegenheit, ich glaube, es war bei einem Fest in Fischlapp. Der Einladung bin ich dann kurze Zeit später nachgekommen.“
„So, so. Fischlapp.“
„Waren Sie mal in den abtrünnigen Reichen?“, fragte Gangwolf herausfordernd.
Grohann ging über die Frage hinweg.
„Was passierte in Gorginster?“
„Dorn von Gorginster ist ein aufbrausender Typ“, sagte Gangwolf. „Er ist launisch und ein schlechter Verlierer. Wir hatten auch eine kleine Meinungsverschiedenheit bezüglich von Dingen, die sich in meinem Besitz befinden. Ich hielt es schließlich für angebracht, mich in Sicherheit zu bringen und dabei jegliche Vorsichtsmaßnahmen, die ich sonst anwende, außer acht zu lassen.“
„Was bedeutet?“, fragte Grohann.
„Ich schuf eine Tür, die in meine Heimatwelt führt. Ich nahm an, dass mir Dorn nicht folgt, denn das Betreten fremder Welten kann ja bekanntlich tödlich ausgehen … Er hat gesehen, wie ich die Tür öffnete, und da ich sie nicht hinter mir schloss, ist sie ihm höchstwahrscheinlich zugänglich.“
Der Steinbockmann senkte seine Augenbrauen, sah Ritter Gangwolf durchdringend an und fragte drohend:
„Sie hielten es bisher für unnötig, den Vorfall zu erwähnen?“
„Tatsächlich, ja. Dorn ist nie in meiner Heimatwelt aufgetaucht, jedenfalls habe ich nichts dergleichen gehört. Ist also nicht der Rede wert.“
Grohann stampfte ärgerlich mit einem Huf auf und starrte in den großen Spiegel, der sich trotz des stechenden Blickes nicht veränderte, sondern weiterhin wie ein harmloser Spiegel aussah.
„Wo liegt das Problem?“, fragte Ritter Gangwolf.
„Türen haben zwei Seiten“, erklärte Grohann. „Durchgänge in zwei Richtungen. Sie erinnern sich an die Tür, die von Amuylett in die tote Welt führt?“
„Natürlich“, sagte Gangwolf kühl.
„Es gibt beide Seiten in der Spiegelwelt. Eine Tür, die in die tote Welt führt, und eine Tür, die zu dem Ort in Amuylett führt, an dem sich die Originaltür befindet. Ein streng bewachter, geheimer Ort, den unsere Feinde bis jetzt noch nicht kennen.“
Ritter Gangwolf dämmerte, was Grohann ihm damit sagen wollte.
„Sie meinen also … dass es eine Tür gibt, die von Dorns Burg direkt in die Spiegelwelt führt?“
„Sobald sich Maria in der Spiegelwelt aufhält, ja. Dorn muss diesen Zeitpunkt abgewartet haben – den Morgen nach dem Angriff – um eine bewaffnete Einheit in die Spiegelwelt zu schicken und Maria zu entführen. Maria und alle anderen Erdenkinder, die sich zur gleichen Zeit dort befinden.“
Ritter Gangwolf stieß etwas zu, das ihm äußerst selten passierte: Seine Gelassenheit verabschiedete sich ins Nirgendwo und etwas, das sich wie eine stachelige Hand anfühlte, umklammerte sein Herz.
„Sie glauben, dass er Gerald hat?“, fragte Ritter Gangwolf. „Dass die beiden da drin waren und er sie mitgenommen hat? Nach Gorginster?“
Der Steinbockmann nickte nicht einmal. Er verließ, ohne ein Wort zu sagen, den Trophäensaal, und das war leider Antwort genug.
Naturkreisläufe interessierten Lisandra nicht besonders, mit Geschichte konnte man sie schon eher an einen Schreibtisch locken. Doch Viego Vandalez hatte beschlossen, sie heute mit seiner Lieblingswissenschaft zu quälen und dabei stellte er Ansprüche, denen Lisandra nicht gewachsen war. Oder nicht gewachsen sein wollte. Sie wusste, dass der Halbvampir in diesem Fach ein anerkannter Forscher war. Er wäre sogar Professor in Tolois geworden, hätte ihn nicht der Tod seiner Verlobten Geraldine vor vielen Jahren komplett aus der Bahn geworfen.
Leider holte ihn die Leidenschaft für die Erforschung der Naturkreisläufe immer wieder ein, doch seine Experimente, philosophischen Betrachtungen und komplexen Gedankengänge zu diesem Thema waren für Lisandras Geschmack dann doch zu praxisfern. Es genügte
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