Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Sie wünschte, es würde nie aufhören.
„Sie ahnen, dass du eine Prinzessin bist“, zog Gerald sie auf. „Bayerische Kühe mögen Prinzessinnen.“
„Oh, Gerald, wir sollten ihr auch noch Neuschwanstein zeigen!“, rief Lulu.
„Das beeindruckt sie nicht, so etwas gibt es in Amuylett auch. Nur viel größer!“
„Ich will so gerne nach Amuylett!“, sagte Lulu. „Ich will das sehen!“
„Ja, Kleine“, sagte Gerald und fuhr Lulu mitfühlend übers Haar. „Aber es geht nun mal nicht. Genauso wie Scarlett nicht hierherkommen kann.“
Es versetzte Maria einen Stich, als er das sagte, obwohl sie doch wusste, dass es genau so sein musste: Scarlett war Geralds Freundin, nicht sie. Natürlich vermisste er sie und natürlich wünschte er, er könnte ihr all das zeigen, was er Maria gezeigt hatte. Maria war willkommen, doch nicht das Mädchen seiner Wahl. Das war völlig in Ordnung. Mehr wollte Maria auch nicht. Aber für einen kurzen Moment tat es trotzdem weh, als sie sich vorstellte, dass Gerald lieber mit Scarlett hier gewesen wäre als mit ihr.
Doch keine Empfindung dieser Art vermochte Marias Glück in dieser Woche ernsthaft zu trüben. Auch Gerald machte einen fröhlichen Eindruck, obwohl er Scarlett vermisste. Manchmal sprachen sie über Amuylett und darüber, dass hoffentlich jemand käme, um sie zu holen. Doch so richtig eilig hatte es auch Gerald nicht. Lulu war so selig über seine Anwesenheit, dass er den Abschied fürchtete. Geralds Mutter tat sein Besuch ebenfalls gut. Einmal ging sie sogar mit ins Kino und Maria hörte sie neben sich lachen und Popcorn essen.
Als sie zu viert nach Hause gingen, war es schon dunkel. Der Verkehr der Stadt rauschte nur noch leise und es fühlte sich für Maria so an, als gehörten sie zusammen. Eine Familie, die sich in einer kleinen, vollgestopften Wohnung ein winziges Bad, einen Küchentisch und einen Balkon teilte. Geralds Mutter ging an diesem Abend früh schlafen, doch Lulu wollte unbedingt noch aufbleiben und mit Gerald und Maria am Balkontisch um das Windlicht herumsitzen. Es dauerte nicht lange, bis Lulu auf ihrem Stuhl tiefer rutschte und sich schließlich in Geralds Arm kuschelte, um darin einzuschlafen.
Leise, um niemanden zu stören oder auch, weil es sich um Geheimnisse handelte, sprachen Gerald und Maria noch über Ritter Gangwolf, der eigentlich Wolfgang hieß. Maria wollte wissen, warum er nicht bei Lisa geblieben war, damals, nachdem Gerald auf die Welt gekommen war. Gerald äußerte sich vorsichtig.
„Du darfst nicht schlecht von ihm denken“, sagte er, „aber er legt sich ungern fest. Es versetzt ihn in Panik, wenn man ihn auf etwas festnageln will. Und jemand, der Vater wird, kann sich wohl sehr festgenagelt vorkommen.“
„War es deswegen? Wäre er geblieben, wenn es dich nicht gegeben hätte?“
„Schwer zu sagen. Wahrscheinlich nicht. Du musst wissen, dass er sich mit meiner Mutter wirklich Mühe gegeben hat. Sie waren fast drei Jahre lang zusammen, das ist für seine Verhältnisse viel.“
„Aber er ist doch schon lange verheiratet in Amuylett. Ich dachte, du hättest eine Stiefmutter in Moos Eisli?“
Gerald fand diese Frage sehr lustig. Er erklärte Maria, warum.
„Meine Stiefmutter hat er eigentlich nur geheiratet, weil sie keine Aufenthaltserlaubnis hatte in Amuylett. Sie gehört zu den geduldeten Wesen, das heißt, wenn jemand sie heiratet und für sie bürgt, bekommt sie die Rechte eines Bürgers. Ansonsten müsste sie sich verstecken.“
„Wieso, was ist sie denn?“
„Eine Sirene. Aber eine von der Sorte, die so kreischen können, dass man stirbt, wenn man es hört.“
„Wirklich?“
„Das macht sie natürlich nicht. Sie ist sehr nett. Nun ist sie dazu verdammt, im Haushalt meines Vaters zu leben – schließlich ist sie offiziell mit ihm verheiratet – und deswegen hat sie die Pflege und Verkostung aller Tiere, Menschen und Ungeheuer übernommen, die in Moos Eisli leben. Sie ist der gute Geist des Hauses. Ihr absoluter Liebling ist der Schneeweiße Lindwurm. Und umgekehrt ist es genauso. Sollte sie Moos Eisli jemals verlassen, ist mein Vater den Lindwurm los, da bin ich sicher.“
„Dann sind sie gar kein Paar.“
„Na ja, vielleicht waren sie’s mal, aber das muss lange her sein.“
Das Windlicht auf dem Balkontisch flackerte, Geräusche von verschiedenen Fernsehern drangen ins Freie. Jemand hörte bei offenem Fenster Musik.
„Drei Jahre sind also lang für ihn, sagtest du. Das heißt, er mochte
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