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Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Titel: Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halo Summer
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verstand), Marienplatz (viele andere Leute, die sich ebenso neugierig umguckten wie sie und mit Fotomaten um sich schossen), Englischer Garten (Maria fand die Fahrräder bemerkenswert, so etwas hatte sie noch nie gesehen), Biergarten (hier trank Maria etwas, das so hieß wie die Fahrradfahrer und es machte sie sehr fröhlich – Lulu auch, die häufiger an Marias Getränk nippte, als es ihr Gerald erlaubt hatte), Eiskanal, Sonne, weiß-blauer Himmel, Hunde, Gelächter …
    Maria schwirrte der Kopf, als sie abends nach Hause kamen. Unterwegs hatten Gerald und seine Schwester eine Auseinandersetzung. Sie mussten nämlich ab und zu improvisieren, da das zusammengekratzte Geld hinten und vorne nicht reichen wollte, und bei der Gelegenheit stellte Gerald fest, dass Lulu beängstigend geschickt im Improvisieren war. Als er dann auch noch einen ipod in ihrer Tasche entdeckte, den sie niemals von ihrem eigenen Geld gekauft haben konnte, gerieten sie in Streit.
    Maria konnte nicht verstehen, was sich die beiden an den Kopf warfen, aber es ging hoch her und endete vermutlich in einem Unentschieden, denn Lulu schmollte zerknirscht und Gerald schaute mit einem resignierten Gesichtsausdruck in die Fensterscheibe der U-Bahn. Als sie ausstiegen, hatte sich das Gewitter verzogen. Lulu plapperte wieder drauf los und Gerald lachte, als sie einen Witz machte. Die Zeit war zu kostbar, um sie mit Streiten zu verbringen.
    Sie hatten unterwegs etwas zu essen eingekauft und am Abend kochten Gerald und Lulu. Er hatte etwas ausgewählt, wovon er glaubte, dass es einem Mädchen aus Amuylett schmecken könnte, und tatsächlich – sie aß alles auf, was Gerald ihr auf den Teller füllte, und wünschte sich sogar noch eine zweite Portion.
    Lisa, Geralds Mutter, aß mit ihnen und wirkte geistesabwesend, als Lulu erzählte, was sie heute alles gemacht hatten. Manchmal schaute Lisa ihre Tochter an und lachte plötzlich und dann lachte Lulu noch mehr und redete schneller vor Begeisterung. Es war eine merkwürdige Beziehung zwischen diesen beiden. Maria verstand die Sprache nicht, die sie miteinander sprachen, doch sie sah sehr wohl, dass Lulu wusste, wie sie ihre Mutter für kurze Momente in ihre Welt holen konnte, in das wirkliche Leben, vor dem diese doch eigentlich zu fliehen versuchte.
    Wenn Mutter und Tochter zusammen lachten, war es, als ob die Welt aufhörte sich zu drehen. Die Zeit vergaß sich selbst und verging nicht und für eine flüchtige Ewigkeit war alles gut. Gerald bemerkte es auch und Maria sah ihm an, dass er diese Momente dringend brauchte, um das Gefühl zu haben, dass alles irgendwie in Ordnung war. Obwohl es das eigentlich nicht war, nach den gängigen Maßstäben.
    Gerald bestand darauf, dass Maria mit Lulu in deren großem Bett schlief, obwohl er das normalerweise tat, wenn er zu Hause war. Er legte sich auf eine Isomatte in die Küche, denn das andere Zimmer gehörte seiner Mutter und darin durfte sie niemand stören. Maria wollte unbedingt, dass sie jede Nacht tauschten, denn das Lager in der Küche sah unbequem aus, aber Gerald ließ nicht mit sich verhandeln. Maria fand sowieso, dass er sich sehr rührend und aufmerksam um sie kümmerte, und sie ahnte, dass das nicht gut für sie war.
    Manchmal vergaß sie in dieser Woche, wo sie herkam. Dass sie ein Mädchen aus Amuylett war, nur zu Besuch und nicht für immer Lulus und Geralds beste Freundin. Vor allem an dem einen Tag, als sie tatsächlich in die Berge fuhren, verlor sie ihr Herz an diese wunderbaren Sommermomente, die sie bestimmt ihr Leben lang nie mehr vergessen würde. Sie fuhren mit dem Zug nach Garmisch-Partenkirchen, kletterten durch die Wasserfälle der Partnachklamm, machten Rast auf einer Alm und bewunderten das Zugspitz-Massiv. Sie lachten über die Begeisterung einer Herde von Almkühen, die Maria umringten und gar nicht mehr von ihr weichen wollten, sodass sie den Weg über die Weide nur im Schneckentempo zurücklegen konnte.
    Maria hatte seltsamerweise überhaupt keine Angst. Die riesigen Kühe mit ihren rosa Nasen und den gefährlich aussehenden Hörnern schienen zu verstehen, dass Maria ein besonderer Gast war und ihre Zeit wertvoll. Der Nachmittag in den Bergen würde nie wiederkommen. Hätte es Maria nicht besser gewusst, so hätte sie geglaubt, dass die Kühe ihr etwas verraten wollten: nämlich dass der Zauber der Gegenwart nie endet, wenn man es schafft, ihn bewusst ein- und auszuatmen, so wie Maria es tat, als die riesigen Kühe sie bedrängten.

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