Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
in eine andere Richtung und konzentrierte sich darauf, aus dem Sattel auf die Erde zu steigen. Hier wurde sie schon von Thuna erwartet, die sie erleichtert in die Arme schloss.
„Zum Glück ist dir nichts passiert!“
„Mir geht’s gut“, versicherte Maria. „Ist bei euch auch alles in Ordnung?“
Thuna zögerte mit der Antwort, doch Maria merkte es kaum, da das Liebespaar, das sie aus dem Augenwinkel sehen konnte, ihre Gefühlswelt auf den Kopf stellte. Sie wusste nicht, warum das so war. Sie hörte Scarlett und Gerald lachen und reden und fühlte eine seltsame Unruhe in sich, als Gerald Scarletts Gesicht in seinen Händen hielt und sie anstrahlte. Es machte ihr etwas aus. Es verwirrte sie.
„Wo ist Lissi?“, fragte sie, als Berry herankam, um Maria zu begrüßen.
„Die prügelt sich mit Haul im Innenhof“, antwortete Berry.
„Wieso?“, fragte Maria bestürzt. „Haben sie sich gestritten?“
„Nein, keine Sorge! Sie prügeln sich zum Spaß!“
„Komm, wir müssen dir was zeigen“, sagte Thuna ernster als sonst und zog Maria mit sich mit.
Maria ließ es dankbar geschehen. Sie verstand kaum, was gerade mit ihr los war. Oder sie wollte es lieber nicht verstehen. Eigentlich war ja alles bestens: Sie hatte ihre Heimwelt kennengelernt, sie hatte dort eine schöne Zeit gehabt und nun war sie heile nach Amuylett zurückgekehrt. Sie hätte glücklich sein müssen, stattdessen war ihr zumute, als müsste ihr das Herz brechen. Wegen ihm. Wegen Gerald!
Hätte ihr etwas Blöderes und Überflüssigeres zustoßen können? Sich in ihn zu verlieben, war an Dummheit und Sinnlosigkeit nicht zu übertreffen! Warum tat sie es dann? Warum passierte das mit ihr? Warum konnte sie nicht damit aufhören? Es musste unbedingt aufhören!
Diese Gedanken beschäftigten sie, als sie mit Thuna und Berry zur Festung ging und das Haupthaus betrat. Sie hatte mitbekommen, dass sie mit ihnen zur Krankenstation gehen sollte, aber sie hatten ihr noch nicht verraten, warum. Und weil sie so durcheinander war, fragte sie auch nicht danach. Sie hörte sich selbst über die Erdenwelt sprechen, darüber, wie es dort aussah und was sie dort gemacht hatten. Thuna hörte sehr aufmerksam zu, denn es war auch ihre Heimat. Das Zuhause, an das sie sich nicht erinnern konnte.
Auf dem Flur, der zur Krankenstation führte, kamen sie an Fenstern vorüber, durch die man in den Innenhof schauen konnte. Dort blieben sie stehen, sie mussten es einfach tun, denn das Schauspiel, das Lisandra und Haul dort unten boten, war zu faszinierend: Sie trainierten miteinander, aber was eigentlich ein Kampf hätte sein sollen, glich mehr einem Tanz. Jeder Schlag mit dem Holzstab fand die perfekte Erwiderung, jeder taktische Schritt wurde klug beantwortet und charmant kommentiert, jede noch so überraschende Bewegung traf auf eine Reaktion, die ihr ebenbürtig war. All das ereignete sich in einer Schnelligkeit, dass einem schwindelig davon wurde. Sie waren das perfekte Paar und perfekte Kämpfer obendrein.
„So muss es sein!“, sagte Berry schwärmerisch. „Dass sich Gedanken und Taten so ergänzen wie bei diesen beiden!“
„Ja“, musste auch Thuna zugeben, „man könnte fast neidisch werden.“
„Würde er nicht ewig sechzehn bleiben“, fügte Berry nachdenklicher hinzu, „angewiesen auf einen Zauberer, der ihn am Leben hält, und wäre sie nicht dazu verdammt, ein uraltes, unsterbliches Monster zu werden, dem man keinen Platz in der neuen Welt einräumt, ja – dann könnten wir glatt neidisch werden.“
„Was ist dann das ?“, fragte Maria und zeigte auf die beiden schwarzen Umrisse, die den im Schatten liegenden Eingang zum Hauptgebäude flankierten und dort schwebten, als seien sie große, verdunkelte Flaschengeister ohne Flaschen.
„Ghule“, antwortete Thuna. „Sie halten Lisandra für ihre Anführerin, weil … weil wir dir jetzt was zeigen müssen. Komm, Maria!“
Maria war wieder so weit zur Besinnung gekommen, dass ihr klar wurde, dass etwas passiert war.
„Was ist los? Was wollt ihr mir zeigen? Ist jemand verletzt?“
„Verletzt ist vielleicht das falsche Wort“, sagte Berry, die vorausging und als Erste die Krankenstation betrat. „Ihm ist eigentlich kein Härchen gekrümmt worden, aber sieh selbst!“
Marias Blick fiel auf ein Krankenbett, in dem niemand lag. Die Decke war unberührt, nur das Kopfkissen war aufgestellt und vor das Kopfkissen hatte jemand einen Stoffhasen gesetzt. Einen Stoffhasen, der genauso aussah wie
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