Feuerscherben
Bürger der Stadt errichtete, Jaime, der Glasbläser, baute Campbell Crystal auf, eine Glasbläserei mit vielfältigem Angebot. Im Nordwesten von Pittsburgh stellte eine große Fabrik Fensterscheiben her. Eine weitere kleinere Fabrik unten in der Stadt beschäftigte etliche Glasbläser, die mit ihren Trinkglasgarnituren aus Bleikristall stolz die Tradition bester europäischer Glasbläserkunst aufrechterhielten. Jaime stellte eingewanderte Handwerker aus ganz Europa ein und ließ sie einmalig luxuriöse Kronleuchter sowie Lampenschirme aus Buntglas anfertigen, die manche Kenner höher einschätzten als die Arbeiten von Louis Tiffany. Um 1925 verzichtete kaum eine Braut mit gesellschaftlichem Ehrgeiz auf einen Kronleuchter von Campbell Crystal für ihre Diele oder auf die Bleikristallgläser der Campbells für ihren festlich gedeckten Tisch.
Die Campbells waren aus der Pittsburgher Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Trotzdem hatten die beiden Brüder noch Probleme. Hector war Vater von vier Töchtern, hatte aber keinen einzigen Sohn und brauchte dringend einen fähigen Nachfolger für sein Unternehmen. Allen vier Schwiegersöhnen die Firmenleitung gemeinsam zu übertragen, wäre die sicherste Garantie für eine Katastrophe gewesen. Andererseits hatte die Wahl eines einzigen Schwiegersohns als Vorsitzender mit Weisungsbefugnissen über die anderen einen Familienstreit heraufbeschworen.
Hector haderte immer noch über dieses Dilemma, als er sich bei einem Zusammenstoß seines neuen Daimlers mit einem Milchkarren das rechte Bein brach. Von Schmerzen geplagt und mit der Aussicht, den Rest seines Lebens humpeln zu müssen, sah er ein, dass seine Tage als aktiver Chef eines Bauunternehmens gezählt waren. Das Problem, einen neuen Direktor für Campbell Construction zu finden, war akut geworden.
Eine glückliche Lösung wurde schließlich erreicht, als Jaime, der stolze Vater eines einzigen Sohns, sich anbot, seinem Bruder die Baufirma für eine Million Dollar in bar abzukaufen. Die Summe war bescheiden, doch Hector nahm erleichtert an. Stuart, Jaimes Sohn, war genau der richtige Mann, um beide Campbell-Firmen zu leiten.
Nachdem die Anstrengungen der täglichen Arbeit ihn nicht mehr belasteten, zog Hector sich auf ein fünfundzwanzig Morgen großes erstklassiges Grundstück westlich von Pittsburgh zurück, baute ein Herrenhaus mit einer Fassade aus importiertem schottischen Granit und hängte einen übergroßen Kronleuchter von Campbell Crystal in jeden Raum.
Stuart hatte weder das Talent seines Vaters als Glasbläser noch die Geschicklichkeit seines Onkels als Zimmermann geerbt. Doch er besaß einen ausgeprägten Geschäftssinn und die angeborene Gabe, den finanziellen Trends seiner Zeit immer einen Schritt voraus zu sein. 1927, im reifen Alter von gerade 32 Jahren, schlug er alle Ratschläge seiner Finanzberater in den Wind und zog das gesamte Kapital der Firma vom Aktienmarkt zurück. Er ahnte, dass es zum Börsenkrach kommen würde, und kaufte Land und nochmals Land. Weitere Beträge legte er in Gold, Diamanten, Gemälden alter Meister und buchstäblich allen Wertgegenständen an, die seine Mitbürger unbedingt loswerden wollten, um in den Aktienmarkt einsteigen zu können.
Als der Index der New Yorker Börse an jenem Schwarzen Freitag des Jahres 1929 innerhalb von wenigen Stunden um sechzig Punkte abwärts rutschte, wurde Stuart einer der reichsten Männer Amerikas.
Mit Stuart an der Spitze blieb Campbell Industries erfolgreich. Als Privatunternehmen überstand es die Wirtschaftskrise, die Unruhen des Zweiten Weltkriegs und die halsbrecherische Expansion der blühenden fünfziger Jahre. Unbezwingbar bis zum Schluss, starb Stuart mit einem Telefonhörer in der Hand an seinem Schreibtisch, während eine Sekretärin auf ihr Diktat wartete. 1972 übernahm sein einziger überlebender Sohn Andrew die Verantwortung für das Firmenkonsortium und die Verwaltung des Familienvermögens.
Andrew Campbell zeigte keinerlei Interesse an Campbell Crystal. Das Angebot der Firma bestand inzwischen aus einem hoffnungslosen Mischmasch. Offensichtlich gab es keine Möglichkeit, sie zu einem florierenden Unternehmen umzugestalten. Deshalb widmete Andrew seine gesamte Energie der Weiterentwicklung des Baugeschäfts und weitete Campbell Construction von einer erfolgreichen regionalen Firma zu einem bedeutenden Unternehmen innerhalb der exotischen Welt der internationalen Bodenerschließung aus. Um Campbell Crystal kümmerte er sich
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