Feuerscherben
nichts davon. Sie konnte nur noch daran denken, dass Ben Maxwell eine ziemlich große Blutprobe von ihr an sich gebracht hatte.
Mit praktisch absoluter Sicherheit würde er sie zu einem Genlabor schicken.
Das Shuttle-Flugzeug von Boston nach New York war beinahe leer gewesen – ein unerwarteter Vorzug. Trotzdem war Ben nervös, und seine Muskeln verkrampften sich vor Spannung. Mit einem schlechten Gewissen reist es sich nicht gut, dachte er kläglich.
Er winkte ein Taxi heran, stieg ein und lehnte sich zurück, um die fünfundvierzig Minuten lange Fahrt nach Manhattan über sich ergehen zu lassen. Sein Fahrer war ein typischer Vertreter der New Yorker Zunft. Als Einwanderer aus einem fernen Land mit unaussprechlichem Namen steuerte er seinen Wagen mit dem Ungestüm eines Mannes, der erst kürzlich einem Kriegsgebiet entkommen war. Die anderen Fahrzeuge auf der Straße waren der Feind. Sie mussten eingeholt und mit halsbrecherischer Geschwindigkeit überholt werden. Schlaglöcher spielten keine Rolle. Sie wurden übersprungen oder ohne Rücksicht auf die Hinterachse oder gar die Passagiere blitzartig umfahren.
Die Klimaanlage blies gelegentlich einen kühlen Strahl in Bens Richtung. Doch der Blütenduft aus den Lufterfrischern, die überall im Taxi verteilt waren, konnte den deutlichen Marihuanageruch nicht verdecken. Ben, der Taxifahrten in New York gewohnt war, hoffte wider alle Logik, dass der Mann am Steuer zumindest jetzt nicht »high« war.
Ein 12-Tonner hupte heftig, wechselte gleichzeitig die Spur und schnitt dem Taxi den Weg ab. Die Fahrer schrien sich einige Sekunden lang an. Dann versuchten beide, einander auszuweichen. Mit einem letzten Fluch für seinen Gegner riss der Taxifahrer das Steuer nach rechts und reihte sich unmittelbar vor einem eleganten Cadillac in den Verkehr auf der Überholspur ein. Die Bremsen kreischten hinter ihnen, und der Taxifahrer grinste breit in den Rückspiegel.
Ben beschloss, nicht länger auf die Weiterfahrt über die Triboro Bridge zu achten. Sie waren inzwischen auf der Außenspur, die nicht viel Spielraum für moderne Gladiatorenkämpfe ließ. Er öffnete seine Aktentasche und holte die beiden Plastikbeutel hervor, in die er Dianna Masons blutige Kosmetiktücher gesteckt hatte. Ein Tuch war voll gesogen mit einer Mischung aus Wasser und Blut, das andere war bereits getrocknet. Er wusste nicht, welches sich besser für einen Labortest eignete, und er hatte keine Ahnung, wie viel Blut für einen Gentest erforderlich war. Aber nachdem man einem Täter bereits mithilfe geringster Samenspuren eine Vergewaltigung nachweisen konnte, musste die Blutmenge, die er mitgenommen hatte, mehr als ausreichen.
Ben betrachtete die Tücher, bis die roten Flecken vor seinen Augen verschwammen. Dann steckte er die Beutel wieder in die Aktentasche und lehnte sich auf dem durchgesessenen Sitz zurück. Doch nicht das Kunstleder oder die zerbrochenen Federn machten ihm zu schaffen, es war sein schlechtes Gewissen.
Und dazu besteht absolut kein Grund, sagte sich Ben. Schließlich hatte er Dianna nicht mit einem bösen Hintergedanken in den Finger geschnitten. Er hatte nur einen Vorteil genutzt, der ihm praktisch in den Schoß gefallen war. Dianna würde furchtbar wütend sein, wenn sie feststellte, was er getan hatte. Aber das konnte er nicht ändern. Er musste unbedingt die Wahrheit über sie erfahren und war bereit, dafür ihren Zorn über sich ergehen zu lassen.
Auch ohne die Bestätigung durch einen Gentest war er zu neunzig Prozent sicher, dass Dianna die verschollene Erbin der Campbells war. Aber das würde ihm so leicht niemand glauben. Weshalb zum Teufel setzte die Frau alles daran, die Leute davon zu überzeugen, dass sie Dianna Mason war?
In jener Nacht, als das Gästehaus gebrannt hatte, war Ben klar geworden, dass er sich nicht mehr auf seinen Instinkt verlassen durfte, sondern eine solide Grundlage aus Tatsachen brauchte. Als Erstes musste er einwandfrei feststellen, wer Dianna Mason war. Anschließend würde er sich mit dem Problem befassen, warum sie sich so seltsam verhielt. Erst dann -und auch nur mit etwas Glück – fand er vielleicht die Antwort auf die Frage, weshalb er sich Hals über Kopf in die Frau verliebt hatte.
Meine Gefühle für Dianna sind das. Seltsamste an dieser ganzen verworrenen Angelegenheit, überlegte Ben. Nach einer frühen Heirat mit einer Collegefreundin und einer zivilisierten Scheidung ohne großes Bedauern auf beiden Seiten hatte er seine ganze
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